Ursprünglich hat der Schreiber dieser Zeilen die Single-Auskoppelung ‘Keine Lust.’ eher mit mässigen Interesse verfolgt, gehört gleichnamiges Lied doch zu den belangloseren Machwerken auf dem Album ‘Reise, Reise’. Bei einem Blick auf das vorveröffentliche Tracklisting änderte sich das jedoch schlagartig, denn dort fanden sich als Remixer keine geringeren als die EBM-Kult-Band Front 242. Das macht neugierig, ob die Herren aus Belgien mittlerweile noch etwas anderes können ausser den fünfhunderttausendsten Remix von Headhunter zu veröffentlichen, ab und an ihre inzwischen recht dicken Bäuche auf Festivals den Fans entgegen zu strecken oder beliebte Motive ihres Cover-Designs auf T-Shirts zu drucken. Nun gibt es im Rahmen dieser Single ungefähr eine gute und mindestens eine schlechte Nachricht. Zu den eher schlechten Nachrichten gehört, dass die meisten der Stücke auf ‘Keine Lust.’ eher belanglos zu nennen sind. Ganz offensichtlich haben sich die Remixer all zu sehr vom Titel inspirieren lassen. So gibt es mit dem ‘Black Strobe Remix’ das übliche Bumm-Bumm-Techno-Einerlei und mit Ausnahme des Jazz und des Curve Remixes ist der Rest eine rhythmische Variation über das Ausgangsthema. So wird aus einem höchstens mittelmässigen Stück keine Sensation, sodass der Finger beinahe schon reflexartig auf dem Stück-Überspringen-Knopf hängen bleibt. Etwas wohlgefälliger stimmt der ‘Jazz Remix’, der gut gelungen ist. Das ist um so überraschender, da man auf den ersten Blick nicht vermuten würde, dass sich daraus ein ordentliches Stück Jazz machen lässt. Und das noch dazu von Clawfinger, denen man alles mögliche zutraut, aber sicher keine Jam-Session. Zwar dürfte sich unter den typischen Hörern dieser Maxi kaum ein Liebhaber dieser Musik finden, aber Fans von Clawfinger, die auf neues gutes Material warten, kann so ein wenig Hoffnung in die Herzen getragen werden. Die gute Nachricht ist in der Tat, dass - Hallelujah! - der ‘Curve Remix’ von Front 242 selbst mit Attributen wie genial oder sensationell nur sehr euphemistisch zu beschreiben ist. Zwar muss man sich die Mühe machen, den Track in Ruhe mehrmals anzuhören, um die erste Verstörung zu überwinden, schliesslich den Aufbau zu verstehen und das Ganze endlich zu genießen. Die sehr dekonstruktivistische Herangehensweise führt zu einer Redefinition des Stückes, bei der das Ausgangsmaterial nur noch als Sample auftaucht und alleine der Rhythmus erhalten bleibt, wenn gleich stark verfremdet. Ohne zu viel an dieser Stelle verraten zu wollen, um den Höhepunkt nicht vorweg zu nehmen, sei noch angemerkt, das sich dieser ‘Remix’ fast vollständig nach Front 242 und kaum noch nach Rammstein anhört. Nicht zu viel verraten hingegen dürfte, wer vermutet, dass nicht wenige Fans von Rammstein aus den bildungsfernen Schichten bei diesem musikalischen Gourmethappen verständnislos vor ihren Lautsprechern sitzen werden. Diese Maxi macht große Lust, das Abspielgerät dauerhaft auf den ‘Curve Remix’ zu programmieren. Bei diesem überirdisch genialen, wenngleich nicht für jedermann verdaulichen Stück sollen nicht nur Fans von Front 242 ihre Ohren spitzen. Dass der Rest - ausser dem ‘Jazz Remix’ - eher unbedeutend abschneidet, darüber kann ausnahmsweise hinweggesehen werden. Weil auch das Cover-Design gefällt und der Hörer auch sonst nicht mit einem Kopierschutz oder ähnlichem gequält wird, lässt das nur eine Wertung zu: Da muss man sechs Sterne gegeben und "Keine Lust." damit in den Rang eines absoluten Kaufbefehls erhoben werden.