Wer hätte es 1997 schon für möglich gehalten, dass eine mexikanische Band namens Hocico, die zu dieser Zeit gerade Ihren ersten kleinen Clubhit „Odio En El Alma“ in Deutschland etablieren konnte, sich eines Tages zu einer der führenden Bands im Dark Electro mausern würde. Mittlerweile ist die Zahl der Clubhits nicht mehr an zwei Händen abzuzählen und bei Festivalauftritten wird die Band schon mal von mehreren indianischen Tänzern unterstützt und regelmäßig von den Massen gefeiert. Auch die Nebenprojekte des Brüderpaares haben sich etabliert. Und überraschen mit der hohen Qualität. Während Rascos Nebenprojekt Dulce Liquido im Jahr 2000 mit „Dislucion“ mal eben einen der besten Power Electronics Songs ins Rennen schickte, nahm Hocico Sänger Erk mit dem Debüt seiner Band Rabia Sorda ein wenig das Tempo raus zugunsten von mehr Melodien. Auch mit dem neuen Werk „Noisy Diary“ beschreitet Erk mit der Produktionsunterstützung von John Fryer neue Pfade abseits der Hocico-Wurzeln. Und hat ein Album geschaffen, das aus meiner Sicht spannender ist als es Hocico heute sind. Dabei tritt an die Stelle von Geschwindigkeit eine klanglich reduzierte Intensität, die bei mir mehr Wirkung zeigt, als es hohe BPM-Werte vermögen. Wut und Aggressivität fallen dabei aber keineswegs unter den Tisch, dafür sorgen leider weiterhin Ungerechtigkeit, Gewalt und Korruption in der südamerikanischen Heimat des Sängers. Besonders hervorzuheben ist meiner Meinung nach, dass „Noise Diary“ stimmig ist, obwohl fast alle Songs unterschiedlich sind. Vielleicht ist es weit hergeholt, aber für mich klingt das zweite Rabia Sorda Album so, als hätte Erk anstelle eines Mixtapes mit seinen Lieblingsliedern, eine von diesen inspirierte CD aufgenommen. Neben dem treibenden Ohrwurm „Radio Paranoia“ überzeugen Songs wie etwa „Monkeyland“, das mich positiv an Fixmer/McCarthy erinnert, oder „NME“, ein Song der die :Wumpscut:-Stilmittel aus der „Black Death“-Phase aufnimmt, ohne abgekupfert zu wirken. Besonderes Highlight ist für mich das langsame aber sehr fesselnde „Burning House“. Hier sei beispielhaft erwähnt, dass in diesem einen Song sehr viele Ideen versteckt sind und eben nicht nur das Schema Strophe-Refrain-Strophe Anwendung findet. Dieser Track ist genau der Nachfolger für „30kft“, der mir auf dem neuen Album von Assemblage 23 fehlt. Leichte Hänger wie „Get Your Overdose“ sind aufgrund der Vielzahl starker Stücke locker zu verzeihen. Vielleicht ist Rabia Sorda für viele Hocico-Anhänger nicht das Richtige, aber dass ist ja auch nicht der Sinn von Nebenprojekten. Für mich ist „Noise Diary“ eines der stärksten Alben 2009, denn wann hat man schon mal ein Album, bei dem sich die einzelnen Songs schon bei den ersten Durchläufen deutlich voneinander unterscheiden und auch zum größten Teil direkt hängen bleiben? Tolle Veröffentlichung und ein sicherer Tip für alle, die sich nach ein wenig Abwechslung sehnen. Auf der Myspace-Seite der Band kann man sich zudem ein Video zu „Heart Eating Crows“ anschauen.