„Translucida“ heißt es, das 6. Album der Mittelalter-Avantgarde Formation QNTAL. Ein Name, der mittels seiner wörtlichen Bedeutung bei mir nicht nur die Assoziation von Transparenz, sondern auch von Leichtigkeit und Leben weckt. Gleichzeitig war im Vorfeld zu lesen, daß auf dem neuesten Werk den elektronischen Elementen wieder ein größerer Stellenwert eingeräumt werden soll, quasi ein Fensterblick zurück in die eigene Vergangenheit, als Ernst Horn (Deine Lakaien) noch an den Reglern des Synthesizers saß und 1992 zusammen mit Michael Popp und Syrah, alias Sigrid Hausen, den bis heute unsterblichen Hit „Ad Mortem Festinamus“ schuf. Noch bevor der erste Takt erklingt gehen dem neuesten Silberling also große Erwartungen voran, und schon das eröffnende Stück „Sleeping“ scheint diese zu erfüllen. Perlende Synthieklänge untermalen den schmeichelnden Gesang Syrah's und erfüllen die 1603 entstandene Weise des englischen Lautenspielers John Dowland (1563-1626) mit Leben. Beim folgenden „Departir“, kommen dann erstmals die Percussions zum Einsatz, obwohl der Grundton wie bereits beim Opener ruhig und besinnlich bleibt. Diese Stimmung ist in beinahe allen Songs des Albums präsent, ob nun im melancholischen Titellied „Translucida“, im klassisch angehauchten „Worlds Of Light“, das im Intro mit einer leichten Stimmverzerrung überrascht, oder in Vivaldi"s sakral anmutender „Passacaglia“, dem Schluß- und Höhepunkt des Albums. Auch die tanzbaren Stücke brechen zunächst nicht wirklich aus. „Glacies“ kommt zwar schwungvoll mit elektronischen Beats daher, wird jedoch durch getragene Gesangspassagen teilweise relativiert. Ebenso „Obscure“, welches durch die schnarrende Begleitung in die traditionellere Richtung geht. Walther von der Vogelweide"s Ode an den Sommer „Sumer“ hingegen präsentiert sich leicht und luftig mit (vogel-)pfeifenden Akzenten und frischem Rhythmus, während „Ludus“ für QNTAL"sche Verhältnisse ordentlich rockt. Trotzdem bleibt man sogar mit diesen Nummern in einem relativ eng gesteckten Rahmen, was die Lust am Experiment betrifft. Obwohl sämtliche Songs nicht zuletzt durch Sängerin Syrah"s Leistung auf gewohnt hohem Niveau agieren und im Gegensatz zum Vorgänger „Silver Swan“ bewußt schlichter gehalten sind, hat man das Gefühl, daß das Trio angesichts der vielfältigen Möglichkeiten, zu denen Fil Groth"s Synthesizer imstande wäre, Angst vor der eigenen Courage hätte. Dies macht sich besonders bei den schnelleren Titeln bemerkbar, welche stellenweise einfach zu brav wirken, um den sprichwörtlichen Funken überspringen zu lassen. So steht hier der Begriff „Translucida“ neben der oben erwähnten Transparenz bisweilen leider auch für Farblosigkeit.