Ich muss mich zuerst entschuldigen, die Rezension hat lange auf sich warten lassen. Das hatte aber auch einen gewichtigen Grund…diese Platte hat mir echtes Kopfzerbrechen bereitet und ich musste sie wieder und wieder hören, um mir endlich klar werden zu können, ob ich diese Platte mögen kann oder nicht. Immerhin zählen die Platten von Pzychobitch zu denen, die in meinem Player immer wieder rotieren. Doch bei „Electrolicious“ war das ganz anders. Beim ersten Hören, wollte ich es nicht glauben. Sofort die Stop-Taste und langsam tief Durchatmen. Bitte was war das? Sinas Stimme schrill und wirklich nichts für schwache Nerven, Nintendo-Sounds und schrulliger Electroclash. Was ich da am Anfang der CD hörte, hatte nichts mehr mit Pzychobitch zu tun, dass sich sonst mit Clubfutter und Softnoise zu meinen Herzensfreund entwickelt hatten. Irgendwie wollte ich es nicht wahrhaben, wollte keinen Verriss schreiben über diese Band, mit der ich ein nettes und wirklich liebes Interview geführt hatte. Alles sträubte sich. Die CD wurde unauffällig unter dem ganzen anderen Kram auf dem Schreibtisch geschoben. Aus den Augen, aus dem Sinn. Gut, wäre da nicht die Pflicht. Immer wieder auf ein Neues, über Track 3 kam ich aber nie hinaus. Gestern dann aber - ja es hat lang gedauert, ich gebe es zu - dann endlich der Sprung über den inneren Schweinehund. Noch einmal Platte rein und durchhalten. Gut, und irgendwie wird Geduld doch meist belohnt. Es gab noch ein Leben nach Track 3. Track 4 war nicht gleich die Erfüllung, aber dann…Track 5…da klang etwas wie schon gekannt. Hier eine Brücke zur Vergangenheit. Langsam geht die Verspannung und ich lausche aufmerksam. Die Platte nimmt Fahrt auf und langsam kommt der neue Sound dazu…langsam genug um mich entsprechend einzufinden und die Platte findet doch noch ein hörenswertes Ende. Ich bin wirklich kein Verfechter des ewig Alten. Aber hier hatte ich das Gefühl, das ist keine Weiterentwicklung, das ist eine neue Band, die sich einfach unter dem Deckmantel von Pzychobitch einschleichen will. Wäre da nicht Sinas unverkennbare Stimme, hätte ich nicht auf Pzychobitch gesetzt. Aber gut, sie waren es. Und nachdem Knarren und Knacken nun den ersten Track einleiteten und mich dann ein Mix aus Electroclash und Nintendosounds beschallte, fragte ich mich nur: „Was ist das?“. Gut, Sina gab die Antwort dann selbst: „It is ELECTROLICIOUS.“ Aha. Aber: Wo sind die Noiseelemente? Wieso klingt Sinas Stimme plötzlich so quietschend? Wieso muss ich ständig an einen davonrennenden Super Mario denken? Und ja, an diesen zerstreuten Gefühlen haben auch die vier Wochen nichts geändert. So recht kann ich mich an diesen schrägen Sound nicht gewöhnen. Die Pressepromo meint ‚scherzhaft’(????): Power-EBM meets Electro-Punk! Power-EBM suche ich auf der Platte noch immer vergebens. Das ist nun alles extrem subjektiv und versuche ich das Ganze einmal möglichst objektiv zu betrachten, dann lässt sich an der Produktion nichts bemängeln. Die Soundstrukturen sind in sich stimmig und ordentlich abgemischt. Die Lyrics sind gut intoniert und schaue ich nach dem schrulligen „Go Pussy Go“-Schulmädchenpop in den Text, dann kann man für die gelungene Umsetzung einfach nur gratulieren. Dennoch, Sinas oft kritisierte Stimme kommt gerade in den ersten vier Tracks voll zum Einsatz und klingt meiner Ansicht nach recht schwach. Ich mochte ihre Stimme bisher, aber eben in dieser überarbeiteten, tiefen Variante wie sie bei „Whisper“ und „Eyes Off“ wieder zum Einsatz kommt. Hier lebt die Düsternis der alten Zeiten noch einmal auf. Anschließend wieder C64-Sounds und mit „Lotus Eater“ der Track, der mir von der ‚Neuen Schule’ am besten gefällt, dank seiner Trip-Hop-Elemente. „Maschinerie“ besticht dagegen mit seinen Lyrics und einem auf den Punkt gebrachten Schluss. Und mit „Pzycho Pop-Groove“ und „Atem Heart“ gibt es doch noch fast ein Happy End. Die auf ein Duo geschrumpfte Band fordert mich mit ihrem neuesten Werk wirklich heraus. Ich bin noch immer hin und her gerissen. Gehe ich die Bewertung also strategisch an. Zuerst einmal das äußere Erscheinungsbild: Das Cover ist wirklich schick gestaltet und konsequent in rosa gehalten. Ein echter Farbtupfer in der zumeist einfarbigen Szene. Für echte Liebhaber gibt es gar eine auf 500 Stück limitierte „Pussy Box“, die neben dem Album eine pinkfarbene Vinylscheibe mit weiteren exklusiven Tracks enthält. Dazu gibt es noch einen pink´nen "Go Pussy Go!"-Stringtanga, ein Postkarten-Set und einen Ansteckbutton. Auf Amazon ist das gute Stück sogar noch zu haben. Eine nette Idee. Gut, nach dem Äußeren folgt der Inhalt. Etwas unerwartet und an sich gewöhnungsbedürftig. Hier treffen Einflüsse unterschiedlichster Elektrosounds aufeinander. Aber gut produziert mit verwertbaren Texten. Das sind 3,5 bis 4 Sterne – mit Sympathiebonus also 4. Ich bin gespannt auf eure Meinungen zu „Electrolicious“.