Es ist noch früh am Morgen, die Stadt erwacht nur langsam in einen neuen Herbsttag. Der letzte Nebel hängt immer noch über der Elbe, das Pflaster der fast leeren Straße rumpelt unter den Rädern, und aus den Boxen drückt "c.o.d." von PRESSURE CONTROL, ein Song, der mir für den Rest des Tages nicht mehr aus dem Kopf gehen wird... Zwei Sachen haben "vamp" und Covenant's kongeniales "northern lights" gemeinsam, nämlich eine bestimmte Bass-Linie (die bei "vamp" und "monochrome" in exakt derselben Art und Weise auftaucht) und den Umstand, daß die Songs direkt aus der Box über die Ohren in den Kopf gehen und sich dort zumindest zeitweise hartnäckig festsetzen. Nun ist Eingängigkeit bei Musik immer ein sehr zweischneidiges Schwert: Einerseits kann diese Eigenschaft potentiellen Hörern den Zugang zu einem Album enorm erleichtern, andererseits schwebt man damit auch immer in der Gefahr, daß Songs, die sich schon beim ersten Hören als eingängig und "leichtverdaulich" erweisen, beim dritten, vierten, fünften Durchlauf der CD zu langweilen beginnen und das Album letztlich dazu verdammt ist, in einem hinteren Winkel des CD-Regals langsam vor sich hinzustauben. Diesem Schicksal, sagen wir es offen, droht auch "vamp", das Debüt-Album der belgischen Electro/EBM - Formation PRESSURE CONTROL, in meiner Sammlung zu erliegen. Nicht, daß das Album schlecht ist - ganz im Gegenteil: Der Vierer um Gin Devo (ehemals Vomito Negro) und den belgischen DJ Jericho versucht, eine musikalische Balance zu kreieren aus härteren Electro-Klängen, tanzbaren Rhythmen, atmosphärischen Keyboard - Flächen und vereinzelten industrial-lastigen Sound-Effekten; zunächst scheint dieses Unterfangen sogar erfolgreich: Sei es der langgezogene Opener "biogod", das bereits erwähnte und von einem markanten Gothic-Bass getragene "c.o.d.", das düster-experimentelle "drive and be driven" oder "trigger finger", der härteste Song der Platte - der Sound von PRESSURE CONTROL geht in Ohr und Kopf, animiert zum Mitsingen oder -hüpfen, prägt sich einfach ein... ...und spätestens nach dem zweiten, dritten Durchlauf der Platte kennt man die Songs. Und dann fallen einem Dinge auf, die einem vorher unter Umständen entgangen sind. Dann bemerkt man möglicherweise, daß relativ lange Tracks wie "trigger finger" (7:24 Minuten) oder "biogod" (7:50 Minuten) weit länger dauern, als die darin enthaltenen musikalischen Ideen zu wirken und die Songs interessant zu machen vermögen. Dann wird einem eventuell auffallen, daß ruhige, instrumentale Stücke wie "semantics" oder "emerging emeralds" zwar nicht wirklich schlecht, aber in gewisser Weise nichtssagend und uninteressant sind - zumindestens mir würden aus dem Stand etliche Bands einfallen, die diese Art von Musik entschieden überzeugender und schlüssiger darzubieten vermögen. Dann wird man unter Umständen merken, daß die Songs, ganz gleich, ob rhythmisch-tanzbar oder ruhig-instrumental, zu glatt, zu geradlinig wirken, daß die Menge an Momenten, in denen das Songwriting markant ist und Akzente zu setzen vermag, eher überschaubar ist. Und dann wird die CD irgendwann irgendwo einen Platz im Regal finden, wo sie... naja, wir kennen die Geschichte. Alles in allem, um zu einem Fazit zu finden, ist "vamp" keine im Sinne des Wortes schlechte Platte - gut vorstellbar, daß Songs wie "c.o.d.", "trigger finger" oder der Titeltrack überall dort, wo man gern zu Musik tanzt, ebenso gut funktionieren wie als Soundtrack für eine Autofahrt durch nächtliche Großstädte. Darüber hinaus aber ist mir die CD zu eingängig, zu wenig originell, alles in allem zu wenig überzeugend insbesondere auch dann, wenn man sich die beteiligten Namen vor Augen führt - neben den schon erwähnten Musikern sei hier noch Electro-Legende / -Urgestein Eric van Wonterghem (Klinik, Insekt, Soman, Monolith, ...) erwähnt, der für das Mastering von "vamp" verantwortlich zeichnet. Vier Zähler für ein tanzbares, aber ansonsten durchwachsenes Album, von dem ich entschieden mehr erwartet hatte.