Freunde der suizidal-eleganten elektronischen Musik haben über zehn Jahre darauf warten müssen: das dritte Portishead-Album. Schlicht aber unheimlich treffend heißt es ‚Third’ und besteht aus elf neuen Stücken. Verbindender Faktor und Brücke zu den beiden alten Werken ist die depressiv-säuselnde Beth Gibbons, die ihre Fans vor ein paar Jahren zwar mit einer eigenen CD und verstörten Live-Auftritten kurzer Dauer bei der Stange hielt, jedoch irgendwie nur bei Portishead richtig ihr Potenzial entfalten kann. Wer auf ein knappes Dutzend schleppende, mit Samples angereicherte Trip-Hop Balladen gehofft hat, wird beim ersten Hören des neuen Werks kräftig schlucken. Gott sei Dank! Denn ‚Dummy’ ist ein wegweisendes Album, aber ‚Dummy’ beeinflusste eben in der Vergangenheit und verdient keinen zweiten Aufguß im Jahre 2008. In instrumentaler Form kann man das Album deshalb allenthalben aufgrund der Portishead-typischen Harmoniefolgen und Taktwechsel in Songs wie ‚Threads’, ‚Hunter’ oder ‚Magic Doors’ den Herren Barrow und Utley zugeordnet, geht es insgesamt doch sehr straight und für Portishead extrem krachig zu. Weg sind die Easy-Listening-Samples und das Scratching mit extra dafür gepressten Vinyls. Stattdessen rückt ein Schlagzeug, eine E-Gitarre und zwischendrin auch mal eine mit der Ukulele begleitete Ballade das Trio aus Bristol in einen komplett neuen Rahmen. ‚Machine Gun’, die erste Single lebt fast ausschließlich von verzerrten elektronischen Beats und stellt damit einen sauberen Kontrast zu den auch hier gewohnt schmerzgeladenen, pulsadernaufschneidenden Vocals von Mrs. Gibbons dar. Als Uptempo-Stück überzeugt ‚We carry on’, das elektrisierend-krautig an Dramatik kaum zu überbieten ist und mit einer Hook’schen Bassline bestens in das Factory-Repertoire der 80er Jahre zwischen Joy Division und Section25 gepasst hätte. Die schönste musikalische Geschichte wiederum erzählt ‚The Rip’ mit gezupften Gitarren am Anfang, die in der zweiten Liedhälfte mit einer Sequenzer-Line und minimalistischen Drums ergänzt in eine Richtung läuft, die man so kaum erwartet hätte. Alen Nostalgikern sei ‚Threads’ ans Herz gelegt, sind hier die Wurzeln des Bristol-Sounds noch am ehesten zu erkennen. Harter Tobak, den man hier an so mancher Ecke zunächst akzeptieren muss. Die entscheidende Frage, die sich stellt: erschließt sich das überraschende, grau-bunt-zusammengewürfelte Potpourri nach mehrmaligem Hören zu einer höheren transzendenten musikalischen Ebene oder bleibt es beim Stückwerk-Gedanken des ersten Hörens? Die Antwort auf diese Frage ist, dass sich zwar ein schlüssiges Ganzes ergibt, es jedoch einzelne Stellen wie bei ‚Nylon Smile’ gibt, an denen man unterbewusst ganz genau weiß, dass sich Musik und Gesang eben noch nicht gefunden haben. ‚Third’ ist ein Album geworden, das die herausragende Stellung von Portishead einmal mehr beweist, der Stagnation deutlich entgegen arbeitet und damit potenziell eine Menge neue Hörer gewinnen könnte. Ein starkes Album, aber nicht wie bereits in der Musikpresse zu lesen, das potenzielle Album des Jahres 2008.