Phantasmagorie – ein interessanter Name eines deutschen Projektes, das durchaus mit Potenzial ausgestattet ist. Doch schön der Reihe nach... Die beiden Herren Michael Richter und Jens Grützner hatten sich schon 1995 zusammengefunden, im nächsten Jahr das erste Tape aufgenommen und in der Folgezeit Songs produziert, die sogar in lokalen Clubs (z.B. dem Dresdner Bunker) als Floorfiller fungieren konnten. Von 2000 – 2005 gab es eine Projekt-Auszeit, die nun aber ad acta gelegt wurde. Um ein neues akustisches Lebenszeichen zu setzen entschloss sich Phantasmagorie aus Liebe zu den früheren und noch immer geliebten tanzflächenerprobten Songs diese mit etwas modernerer zur Verfügung stehender Technik neu aufzunehmen und sie 2006 als Debüt-CD „Lügenwahn“ an die Fans im Eigenvertrieb weiterzugeben. Gleichzeitig soll diese auch als Bewerbungsmaterial für Plattenfirmen dienen, so dass das Werk eher als Demo-Scheibe anzusehen ist. 

Musikalisch, so merken sie selbst an, ist der Sound keine neue Erfindung, dennoch ist es das Anliegen eigene und neue Akzente zu setzen: mit EBM-Sound und des Öfteren verzerrter Stimme, manchmal 8-Bit-mäßig, ungestüm und harsch, aber auch mit dem einen oder anderen Klang versehen, den der Standard-EBMer sicherlich nicht auf seinem Synthi suchen würde, um ihn dann spielerisch zu verwursteln. Genau dieses letzte Verb trifft leider für die eine oder andere Komposition zu, denn bei allen guten Ideen, mit denen die Beiden ihre Lieder spezieller wirken lassen wollen, so scheint es doch ab und an des Guten zuviel. Gleich beim zweiten Song „Phantasmagorie“ schlägt der Gesang so heftig um sich, dass alles andere dadurch in einem Klangsumpf untergeht, ähnlich bei „5 To 12“. 

Der Gesang ist übrigens eine große, große Baustelle. Teilweise sehr ungenau in Hinblick auf Tempo, Notenhaltung und der englischen Aussprache. Auch die Gesangsmelodie ist mitunter nur als einfaches Noten-Auf-und-Ab angelegt. Ob beabsichtigt oder nicht schwächelt dadurch leider etwas die kompositorische ‚Glaubwürdigkeit’, weil es manchmal einfach zu schief oder einfallslos klingt. Textlich sind gute Ideen vorhanden (über diverse Formen menschlicher Verhaltensweisen), die auch in singend angenehmerer Form dargeboten werden können – siehe „War Monger“. Doch auch dieser Gesang ist stellenweise mit dem Begriff der ‚Geschmackssache’ verbunden. Hier wird aber auch deutlich, dass das musikalische Spektrum durchaus den Rumms-Bumms-Bereich verlassen und klarere Strukturen offenbaren kann; auch mit trancigeren Anleihen bei „Being A Stone“ (Nr. 8), technoideren Sequenzen bei „Compulsive Act“ oder dem Piano-Trip beim Unplugged-Bonus-Titel „Being A Stone“. Mit der Nr. 9 gibt es einen Break, denn hier folgt die Erklärung für die folgenden Bonus-Titel – die älteren Songs, die zwar eher genretypisch angelegt sind aber erstaunlicherweise ausgereifter wirken und gute Begründungen für vorhandenes Potenzial eines Newcomers sind. „Black Hollow Sun“ und „Teardrop“ sind gute Anspieltipps! 

Letztlich muss aber festgehalten werden, dass Produktion und Gesang noch einer starken Verbesserung bedürfen. Die dürfte sich eventuell einstellen, wenn sich ein Label Phantasmagorie annimmt und an einigen Stellen beim Potenzialschliff hilft, so dass die Beiden mit professioneller Hilfe das umsetzen können, was in ihren Köpfen so an Ideen schlummert. Nebenbei bemerkt: das Booklet und CD-Cover präsentieren sich schon sehr ansprechend.