Einen Musiker wie Peter Murphy noch groß vorzustellen, würde bedeuten, Eulen nach Athen zu tragen, war Murphy immerhin Mitglied einer der Bands, die gemeinhin als Gründerväter des Gothic Rock bezeichnet werden. Zumindest der Bauhaus-Überhit „Bela Lugosi's Dead“ war seinerzeit Pflicht auf dem Plattenteller jedes echten schwarzen Kuttenträgers. Doch neben dem Auf und Ab der Band verfolgte Peter Murphy mal mehr, mal weniger intensiv, aber stets beharrlich seine eigenen Ambitionen. Acht Alben umfaßte seit 1986 die Diskographie als Solo-Künstler und nun, 7 Jahre nach „Unshattered“ und 3 Jahre nach der endgültigen Trennung von Bauhaus und deren auf CD gebranntem Abgesang „Go Away White“, fügt er jener den neunten Longplayer, schlicht mit „Ninth“ betitelt, hinzu. Bereits beim ersten Durchlauf wird nicht nur klar, daß der fast 54jährige alles andere als eine ruhige Kugel schiebt, sondern auch, daß er mit Produzent David Baron inzwischen zu einer Art Dream-Team zusammengewachsen ist. In eine blitzsaubere Produktion genau die richtige Menge „Dreck“ unterzumischen, das ist die Kunst, die Baron zusammen mit Tontechniker John Siket hier zur Perfektion gebracht hat. Aber natürlich ist das nur ein Nebenaspekt, denn schließlich spielen die Songs die Hauprolle. Und die haben es in sich. Während der Opener „Velocity Birds“ ohne große Schnörkel, ordentlich rockend nach vorne geht und „See Saw Sway“ mit wavigen Gitarren kokettiert, folgt mit „Peace To Each“ ein kerniger Gothrock-Brocken. Damit ist jedoch das musikalische Spektrum keineswegs ausgeschöpft. Beinahe verschmitzt nämlich lugt „I Spit Roses“ um die Ecke. Kein Wunder, der Text bezieht sich auf eine Anekdote bei den Aufnahmen zur letzten Bauhaus-Scheibe, als Herr Murphy dem Gitarristen Daniel Ash tatsächlich eine Ladung Rosen ins Gesicht spuckte. Dagegen kehren „Never Fall Out“ und das abschließende „Creme de la Creme“ die melancholische Seite des Protagonisten nach außen. Beide sind wahrliche Gänsehautballaden, welche insbesondere vom großartigen Gesang leben. Diese Stimme! Markant drückt sie sämtlichen Titeln ihren Stempel auf, wechselt zwischen poppigem Schmachten, postpunkiger Rotzigkeit und got(h)ischer Tristesse, letztere speziell im düsteren „Secret Silk Society“, wirkt aber jederzeit in sich ruhend und authentisch. „Ninth“ ist nicht einfach irgendein neues Studiowerk eines Sängers, der sowohl mit Bauhaus als auch als Solist auf eine langjährige Karriere zurückblicken kann. „Ninth“ ist in erster Linie das vertonte Zeichen eines Künstlers, der seinem Pfad immer unbeirrt folgte und noch viel zu sagen hat. Mögen manche Peter Murphy hier vielleicht mangelnde Experimentierfreude vorwerfen, so ist es eben die, trotz aller Diversität, durchgehende Geradlinigkeit, die dieses Album letztendlich, wenn nicht zu einem Meilenstein, doch wenigstens zu einer prägnanten Wegmarke werden läßt.