Ebenso agil wie auf der Bühne ist Painbastard scheinbar auch beim Songschreiben. Mit „Borderline“ schickt Mastermind Alex P. sein mittlerweile viertes Album an den Start. Kurz nach Erscheinen der „Klangfusion“ - Kooperation mit [:SITD:], auf der man einen ersten Hörgeschmack auf die neuesten Stücke des Leipzigers bekommen hat. Die Titel weckten große Erwartungen und stahlen [:SITD:] schon ein wenig die Show. Das neue Werk „Borderline“ ist nun beinahe auch als eine „Klangfusion“ zu bezeichnen. Ein Album mit zwei Seiten, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Trauer treffen auf Wut und ähnlich gegensätzlich wie diese Gefühle fallen auch die Songs der einzelnen Parts aus. Während Part I mit dem Titel „Rage“ sich also in den gewohnt kompromisslosen und aggressiven Gefilden bewegt, zeigt sich Alex in Part II in ungeniert offener Art und Weise von seiner betroffenen und verletzlichen Seite. Beide Parts stehen sinnbildlich für die innere Zerrissenheit seiner Selbst und eine schonungslose Abrechnung mit der gesamten Welt. Zwischen Wut und Wehmut. Ein musikalischer Seelenstriptease. „Borderline“ beginnt mit dem gleichnamigen Titeltrack in gewohnt kompromissloser Manier, so wie man Painbastard auf der Tour erleben konnte. Straight, voller unbändiger Energie und von aggressiven Rhythmen getrieben. Alex shoutet sich sein Leid von der Seele und schafft es durch den geschickten Einsatz eingängiger Melodiesequenzen dem Zuhörer den Zugang zu seiner Musik zu erleichtern. Wuchtige Beats werden durch pulsierende Melodien besänftigt, ohne die Eindringlichkeit der wütenden Grundstimmung zu überspielen. In „Kein Vergeben“ beweist Alex zudem mit dem beängstigend stimmigen Sample sein Geschick für intelligentes Sampling. Die weiteren Titel des Part I bewegen sich alle im gleichen Rahmen, der aus Härte und Wut bestimmt wird und sich gnadenlos mit allem Unglück dieser Welt beschäftigt – von „einfachen“ Gefühlsirrungen und -wirrungen wie Liebeskummer und verlorener Hoffnung über die deutliche Abrechnung mit Gewaltverbrechern. Dennoch wird man nicht müde, sich jeden einzelnen Titel genau anzuhören und sich auch intensiver mit den Texten zu beschäftigen. Ein Glanzpunkt, der mir bereits seit dem ersten Album „Skin On Fire“ immer wieder besonders ins Auge sticht. Mit der traumatisierten Borderline Reprise findet Part I ein erfrischendes Ende, dass die deutliche Handschrift seiner Remixer Amnistia trägt und dennoch wie ein fehlendes Puzzleteil das Ganze abschließt. Es folgen nun fünf Stücke voller Wehmut und Trauer. Die progressiv überarbeitete „Mondscheinsonate“ bietet einen imposanten Prolog für den besänftigenden Teil von „Borderline“. Die ruhigen Stücke stehen Alex ungemein gut zu Gesicht. Part II ist sogar mein Lieblingspart der Platte. Tiefgründige, verschachtelte Stücke, die von Zerbrechlichkeit und Schwermütigkeit leben. Insbesondere das so emotionale „Stirb noch nicht“ hinterlässt in Anbetracht seiner privaten Umstände eine Gänsehaut. Das finale „Beyond All Borders“ ist ein grandioser Abschluss, der mit einer zerbrechlich zart wirkenden Melodielinie selbst bei bester Laune Nachdenklichkeit weckt. Stark. Schien jedes Album bisher ein Auszug persönlicher Tagebücher Alex’ zu symbolisieren, so scheint Painbastard mit „Borderline“ noch einen Schritt weiter gegangen zu sein. Die Wahrhaftigkeit spürt man in jeder einzelnen Zeile, seinen Vocals und den gewählten Tönen. Sie gibt der Platte ein Gesicht – das Gesicht des Painbastard, der sich mehr und mehr mit seinem Sound in der Elektro-Szene etabliert und mit seinem konsequenten Durchhaltevermögen auch die Berechtigung dafür bewiesen hat.