Orange Sector haben sich in den Neunzigern während der zweiten Welle der EBM-Bands schnell einen Namen gemacht. Dafür haben die ersten zwei Alben ausgereicht. Das Debüt „Faith“ mit dem Hit „Kalt wie Stahl“ und das für damalige Verhältnisse fast experimentierfreudige Album „Flashback“, welches unter anderem mit „Für Immer“ eines meiner Lieblingsstücke der EBM enthalten hat. Auffallend war, dass sich Martin Bodewell und Lars Felker dabei nicht scheuten, die zu dieser Zeit bestehenden Grenzen zu verlassen um zum Beispiel Gitarren einzubauen („Sexomatic (Für Mich)“) oder gar eine kleine „Ballade“ wie „Yugoslavian Boys“ an den Start zu bringen und später in Songs wie „Proximity“ auch mal den gleichförmigen Basslauf im Schrank zu lassen. Nach einem weniger erfolgreichen Exkurs in das Synth-Pop Genre und einer längeren Auszeit, startete die Urbesetzung 2005 ihr Comeback. Auf den ersten Alben hatte ich allerdings immer das Gefühl, dass die Jungs sich sehr stark an der aktuellen Oldschool-Welle orientieren und bei den neuen Songs vor allem auf die Club- und Konzerttauglichkeit setzen. Das fand ich ein Stück weit enttäuschend, weil weniger spannend als früher und es sind auch nur wenige Songs wie etwa „Untertage“ bei mir wirklich hängen geblieben. Mit „Krieg und Frieden“ lösen sich die Hannoveraner davon und bieten etwas mehr Abwechslung, auch wenn wie beworben die Einflüssen von DAF und Nitzer Ebb auch 2010 unüberhörbar sind. Überraschend ist für mich wie stark der Gesang bei „Krieg und Frieden“ oder „Kompass“ an DAF erinnert. Zum Glück sind es nur Teile der Songs und die beiden gehen nicht so krass vor wie Jäger 90. Zudem steht nicht nur „Der Mussolini“ Pate, sondern auch mal „Der Räuber und der Prinz“ wie bei „Ein neues Kleid“. Darüber hinaus meine ich in „Feuerläufer“ anfangs an Bang Elektronika erinnert zu werden, was ich ganz interessant finde. Von den dominierenden, eher klassischen EBM-Tracks fallen mir „Angst“ und „Das Gute ist das Böse daran“ positiv auf. Insgesamt hat diese CD deutlich mehr Biss als die anderen regulären Alben nach dem Comeback. Wer die letzten beiden Alben mochte kann hier bedenkenlos zugreifen. Wer aber mehr als klassische Oldscholl-EBM erwartet, ist hier falsch. „Krieg und Frieden“ enthält zudem auch ein paar weniger überzeugende Stücke und zwei Remixe, was bei einer Gesamtspielzeit von gut 35 Minuten durchaus kritisch zu sehen ist. Und um ehrlich zu sein, der Support-Gig vor Front 242 gestern war aus meiner Sicht keine Werbung.