Nucleus Torns Debüt-Album ist beim ersten Hören mehr als überraschend und erzeugt einige Assoziationen, vor allem solche wie Theater oder Musical. Das liegt wahrscheinlich daran, weil das Album "Nihil" etwas konstruiert und überspitzt klingt. Nur sitzt bei diesem Theater kein Orchester vor der Bühne, sondern eine vierköpfige Band mit Flöte, Cello, Violine und Schlagzeug. Auf der Bühne agieren eine Sängerin und ein Sänger, die sich die Songs untereinander aufteilen. Den Souffleur spielt Fredy Schnyder, Multiinstrumentalist und Kopf der Formation. Hört sich alles noch nicht wirklich spektakulär an. Da kann auch der Einsatz von Piano und E-Gitarre nichts dran ändern. "Nihil" beginnt beschaulich mit Klavier und Akustikgitarre sowie Maria D'Alessandros hellem und weichem Gesang. Mit leicht melancholischem Einschlag wirkt "Glass Spirit" wie der erwachende Tag, lullt ein bisschen ein und verzaubert sogar ein wenig. Schon mit dem nächsten Song wandelt sich das Bild. Mit Schlagzeug und Patrick Schaads klarem Gesang verkündet "Traveller's Rest" mehr Energie, erinnert leicht an romantische Rocksongs der 70er, wie beispielsweise von Alan Parsons Project, macht dann aber einen heftigen Ruck in die Avantgarde-Rock-Ecke, nur um danach wieder in die zarten und romantischen Töne zu verfallen. Diese Gefühlsachterbahn wiederholt sich noch einmal. Danach fühlt man sich wie ein begossener Pudel. Alle Achtung von Patrick Schaads Gesangsleistung. Mit "Night's Grace" folgen wieder ruhige Klaviertöne. Mittlerweile merkt man, was Nucleus Torn mit einem vorhaben: Das Vernichten von angewöhnten Songstrukturen und das Vermischen verschiedenster Musikstile von Rock über Folk und Klassik bis hin zu Metal. Schließlich geht es auf "Nihil" inhaltlich um Trennung und das endgültige Ende. So folgt nach dem gesangslosen "Night's Grace" auch wieder etwas komplett anderes. "Summer Bled" ist so eine Art Rock-Metal-Kunstobjekt, arbeitet mit ein wenig Disharmonie und druckvollem Schlagzeug. Spätestens hier kann man die Hoffnung aufgeben, dass man "Nihil" durchschaut. Mit "Close" meldet sich Maria D'Alessandro wieder zu Wort und singt den a cappella. Und plötzlich klingt es in "The Sunclad" wieder nach Märchenwald folkloristisch-klassisch. Den Abschluss bildet das fast 10-minütige "Peregrina Sublime", das gleich von Begin an wieder eine härtere Gangart einschlägt und mit E-Gitarre und Schlagzeug losmarschiert. Hier erfolgt wieder die Berg- und Talfahrt der Stimmungen das Auf und Ab zwischen zärtlich und rau, zwischen Melancholie und Hass. "Nihil" ist ein Wechselbad der Gefühle und trotz der sehr unterschiedlichen Stile ein in sich geschlossenes Album. Ein sehr gewagtes Konzept, wenn man bedenkt, dass "Nihil" der erste Teil einer Trilogie ist, die mit "Knell" und "Andromeda Awaiting (Parts I & II)" ihre Fortsetzung und ihren Abschluss finden wird. Wenn Nucleus Torn auf diesen Alben in ähnlicher Weise mit den Gefühlen der Hörer spielen, kann es nur spannend werden. Bleibt nur zu hoffen, dass die Band diesmal nicht wieder drei Jahre braucht, um das Album zu vollenden. Für den ein oder anderen vielleicht nicht ganz leicht zu verdauen, aber trotzdem ein absolutes Highlight!