Spurensicherung ist eine Split-CD der beiden Projekte N.Strahl.N alias Mario W. Löhr sowie Mystified. Hinter letzterem verbirgt sich Thomas Park, der seit 2002 an diesem musikalisch auf vielerlei Ebenen angesiedelten Projekt arbeitet, seine Wurzeln aber hauptsächlich in den Bereichen Ambient, Industrial und Noise hat. Mit "Disaster Program I" und "Disaster Program II" hat Park/ Mystified zwei sehr ruhige, recht klassische und gut gemachte Dark Ambient-Tracks beigesteuert, die von einer Symbiose aus Klappergeräuschen, undifferenziertem Rauschen und Synthesizersounds bestehen. Ein wirkliches Desaster ist das noch lange nicht. Lediglich bei "Disaster Program II" fühlt man sich dann doch ein wenig in eine Art Strudel versetzt, der einen in die Tiefe, wo absolute Dunkelheit, ein diffuses Wabern und Hallgeräusche den Verstand vernebeln. Ausgesprochen krachig-industriell geht es hingegen bei N.Strahl.N zu. Bereits Track 1 lässt einen am eigenen Verstand zweifeln, ob "Not und Tugend", das fast völlig auf einem mantraartig wiederholten, metallischen Schlaggeräusch besteht, ernst gemeint ist. Natürlich kann überall ein tieferer Sinn und eine künstlerische Leistung hineininterpretiert werden, aber im Fall von "Not und Tugend" ist das zum Scheitern verurteilt. Nicht viel anders sieht es mit den restlichen Titeln aus, die da originellerweise "Tat und Arbeit I-IV" genannt sind. Es ist weder neu noch besonders originell, sich Begriffen aus der Arbeiter- und Arbeitswelt zu bedienen, die manchmal so einen faden halbideologischen Beigeschmack haben. Auf "Tat und Arbeit I" geht das enervierende, recht tumbe Schlaggeräusch munter weiter, wird in Teil II fortgesetzt, gewinnt an Tempo und Rhythmus, angereichert durch ein wirres, flirrend-surrendes Geräusch, das in einem verzerrten Dauerton mündet. Tei III lässt sich mit fließendem Wasser und Geplätscher an, wiederum angereichert durch monotone "Arbeitsgeräusche". Man stelle sich vor, ein Handwerker stehe in einem munter vor sich hin gurgelndem Bach und schlage versonnen mit dem Hammer in stetem Rhythmus auf immer das gleiche Heizungsrohr. Irgendwann hört das Wassergeräusch auf, wird abgelöst durch ein subtiles Dröhnen und endet in einem entspannten Dauerton und subterrestrischen Hall. Düsterer, aber nur unwesentlich spannender präsentiert sich Track 5, der einem kreativ denkenden Gemüt womöglich absurde Bilder zu dem Gehörten vors innere Auge führt, beispielsweise einen im Werkzeugkasten wühlenden Menschen, der irgendwann mit der Freude eines kleinen Kindes entdeckt, dass man damit auch "Musik machen" kann, einen dicken Traktor, der geräuschvoll durch die Gegend knattert und immer näher kommt – oder ist es doch ein Gerät, das beispielsweise viel zu schnell ein Band abspult, minimales Kuhglockengeläut wie auf der Alm ... Im Ernst: Bei allem Respekt vor der Vielfalt an künstlerischen Ausdrucksformen in diesem Genre und bei allem Interesse und trotz immenser Aufgeschlossenheit – was hier von N.Strahl.N geboten wird ist dürftig und wirkt den Kinderschuhen nicht entwachsen. Doch sollte sich jeder, der sich für solche musikalische Handwerkskunst interessiert, selbst sein Urteil bilden. Immerhin ist die im DVD-Case präsentierte Veröffentlichung mit seinen beigelegten ästhetischen s-w-Fotos hochwertig und ansprechend aufgemacht und die Limitierung auf 150 copies könnte eine Sammlerleidenschaft entfachen ...