Leicht irritiert schaute ich auf die derzeit heruntergestrippte Homepage von Noyce™, denn die angekündigte Veröffentlichung ‚past:ique’ sah irgendwie aus, als ob ich sie bereits kennen würde. Kurz recherchiert zeigt sich, dass die Band ganz einfach eines ihrer Lieblingscover, welches vorher die limitierte ‚White Hypnotised Noice’ EP geschmückt hat, noch einmal aus der Schublade gezogen hat. Zugegeben, der Haifisch, der auf einer sturmgepeitschten Landstrasse durch die Luft segelt ist auch eine hervorragende Fotomontage von Nadine van den Brock. Der Inhalt ist zwar ebenfalls nicht wirklich neu, er wird aber vielen Fans die Chance geben endlich einen Zusammenstellung der seltenen Tracks zu erhalten, die auf längst vergriffenen EPs oder nie offiziell verkauften Dee-Chai-Promos enthalten waren. Vollgepackt mit Extended Versions, Mixes und Non-Album Tracks ist ‚past:ique’ nach fünfzehn Jahren Bandgeschichte, drei Alben und einer Menge Singles eine außergewöhnliche Werkschau der Düsseldorfer Elektronik-Fanatiker. Hervorragend bekommt man die musikalische Entwicklung der Band beim Durchhören mit: zunächst ‚Panique’, das anfängt wie eine mit doppelter Geschwindigkeit abgespielte Anne Clark Platte aus den Achtziger, dann genauso wie ‚A Sculpture Of Bones’ in leichte Drum’n’Bass Pattern verfällt und Schäfers Stimme noch deutlich verzerrter präsentiert als das bei den meisten der neueren Stücke der Fall ist. Zwischen ‚The White Room’, Album Nr 1, und dem Nachfolger ‚Coma’ liegen ganze sieben Jahre, und das hört man sehr deutlich. Stampfende, weniger hektische Beats und noch stärkere Vocals verschreiben sich gefälligeren Melodien, die jedoch noch immer Meilen vom Radio-Einsatz entfernt sind. ‚Karmakoma’, ‚Our World In Coma’ oder ‚Headland’ kennt man inzwischen bestens vom stetigen Einsatz in den Clubs und das zu Recht. Durchdachte Songstrukturen, erlesene Beats und fein abgestimmte Sounds machen die Qualitäten aus, die Noyce™ zu heimlichen Stars der Szene gemacht haben, die das Feld von hinten aufrollen und bei vielen Hörern längst an der Pole-Position angekommen sind. Das ‚ruhigste’ Stück ist übrigens ‚Year03’, das sowohl als orchestraler Epilog am Anfang (!) zu hören ist, als auch der schleppend, krachende X10ded-Mix. Schließlich verstärkt die dritte Schaffensphase mit dem Album ‚un:welt’ und diversen MP3-Releases den epischen Charakter der Songs, weg vom Staccato-dominierten Electro der frühen Tage. Tiefschürfende, teils anklagende Texte vervollständigen das Gesamtpaket und machen Noyce™ zu einer der Bands mit echten Aussagen. Erstmals hört man ‚un:welt [weltschmerz]’ und ‚This World [X10ted]’ übrigens in CD-Qualität. Mit ‚past:ique’ untermauern Noyce™ erneut, dass man nur schwer an ihren Songs vorbeikommt, wenn man sich im elektronischen Sektor der heute oft so tumben Musikwelt herumtreibt. Man muss sie einfach lieben, schon allein damit kein Unglück passiert, denn wer ‚past:ique’ mal im spitzen Winkel betrachtet findet in Klarlack die Aussage ‚Das Unglück der Welt geht von den Ungeliebten aus’. Das wollen wir natürlich unbedingt verhindern, denn die nächste neue Platte muss unbedingt wieder glücklich machen! Übrigens: mit ‚past:ique machen Noyce™ genau 1000 Menschen glücklich, denn der schicke Digipak ist auf genau diese Zahl limitiert…