Fast jeder kennt das buddhistische Rätsel "Wenn niemand im Wald ist und ein Baum umfällt, gibt das ein Geräusch?". Auf die Spitze getrieben wird dieses philosophische Rätsel durch die Heisenbergsche Unschärferelation in der Quantenmechanik, die grob zusammengefasst besagt, dass die Beobachtung eines Experiments das Ergebnis verändert. Hærleif Langås alias Northaunt geht auf seinem neuen Album nach neun Jahren Pause einer ähnlichen Frage nach: Wie war die Welt, bevor es die Menschheit gab? Daher auch der Name "Istid" (Eiszeit), weil Langås einerseits seine nordische Heimat als Ausgangspunkt nimmt und andererseits in seine Musik die Idee von einer Welt einfließen lässt, in der es unzählige Eiszeiten gab, ohne dass Menschen existiert hätten. Das Ergebnis klingt gar nicht so trostlos, wie man anhand der vorangegangen Gedankenexperimente vielleicht annehmen könnte. "Istid I-II" ist in zwei Teile aufgeteilt: Einen für das Licht, das für die Welt ohne Menschen steht und einen für die Dunkelheit. Beide Teile beschreiben laut Hærleif Langås denselben Ort. Dementsprechend ist die Stimmung des erstens Teils freundlicher und im zweiten Teil düsterer. "Istid I-II" wartet mit vielen Geräuschen, aber auch extrem viel Ruhe auf. Bisweilen denkt man, das Album wäre zu Ende, aber in Wirklichkeit säuselt es ganz still und leise vor sich hin. Wenn in "Boreal" mit hellem Glockengeläut und tiefen Drones die Nordlichter aufflammen, in "Endless Ice" der Wind über die weiße Landschaft zieht oder in "Istid" mit angedeuteten Melodien die Sonne aufgeht, dann hat einen das Doppelalbum bereits gefangen. Danach wird man in die Tiefe des zweiten Teils gestoßen, der unweigerlich jede freundliche Note schluckt und als tiefes Brummen oder zwielichtigen Ton wieder ausspuckt. Das ist Dark Ambient, wie man ihn sich wünscht. Auf der einen Seite atmosphärisch und ruhig, fast meditativ, auf der anderen abwechslungsreich und überraschend. Was für ein Glück, dass Hærleif Langås seinem Projekt Northaunt noch einmal neues Leben eingehaucht hat.