Das Rostocker Duo Norderney hat sich nach der Stadt Norderney auf der Insel Norderney, nicht nach der Insel selbst benannt. Das ist das so ziemlich Überraschendste, dass ihr viertes Album in ungefähr drei Jahren zu bieten hat. Die beiden Hobbymusiker ohne großes Geltungsbedürfnis (wenn man das von der quasi non-existenten Selbstinszenierung und einem kompletten Fehlen von Bildmaterial über die Cover hinaus ablesen kann) bieten ihr Werk für 5 Euronen im Netz an – kann sich das lohnen?

Norderney (die Insel, bei der ich gedanklich immer die Stadt miteinschließen würde) ist eigentlich ein ganz gut gewählter Name: Man redet nicht wirklich über Norderney – weder aufgrund der massentauglichen Ausbeute wie Mallorca oder Ibiza, noch aufgrund einer besonderen Exklusivität, wie Sylt oder Island. Auch ist die Insel in der Nordsee nicht bekannt für freakige Extreme wie North Sentinel Island. Norderney ist da, manche fahren hin und es ist wirklich nett da. Und damit meine ich das nette, das positive Nett. Norderney (das Projekt) steht auf diesem Album für nette Musik. Das nette, das Positive Nett. Irgendwo zwischen Synthpop, Future Pop und Schlager fluffeln die 10 Songs dahin und tun nicht weh, regen nicht auf und machen eine nette Stimmung. Wäre dies ein offiziell vertriebenes Release und Norderney würden von sich schreiben, dass die musikalische Welt mit ihren besonderen Sound erobern wollen – ich würde härter ins Gericht gehen. Aber diese nette, unaufgeregte Selbstdarstellung wirkt sehr selbstreflektiert und sympathisch und so kann ich wohlwollend festhalten: Norderney bringen eigentlich alles mit, was es für einen solchen Sound braucht und ihnen fehlt nur das, was Projekte besonders macht: mitreißend kreative Ideen, ein eigenständiger Sound oder irgendetwas mit Wiedererkennungswert. Jeder Song auf ‚Without the limelight‘ könnte gut im Hintergrund an der Strandbar laufen, sie wären nett im Vorprogramm von VNV Nation und sie würden auch in den hoffentlich irgendwann wieder offenen Tanztempeln nicht für Ärger sorgen, sondern für wohlwollendes Mitwackeln. Die Programmierung ist in den meisten Fällen sehr angenehm und immer ausgesprochen positiv, manchmal, wie bei „Buddy“ hart an der Grenze zu kunterbuntem Popwahnsinn, aber in jedem Fall nett. Der Gesang ist schmachtig, schön, die Töne werden getroffen – es fehlt das Besondere, aber hey, ich kenne hunderte professionelle Releases, denen man einen solchen unbesonderen, aber technisch guten Gesang wünschen würde. Inhaltlich geht es natürlich empowernd zur Sache, große Gefühle, die Hoffnung soll in den Hörer strömen und er soll am Ende gestärkt in den Alltag blicken.

Ist ‚Without the limelight‘ ein lohnendes Werk? Jain. Es ist kein Werk, das große Wellen schlagen wird, die einzelnen Songs werden voraussichtlich nicht in den Hitlisten auftauchen und Norderney werden wahrscheinlich nicht the next big thing. Ich glaube aber auch nicht, dass das das Ziel der beiden Musiker ist. Ich glaube, sie wollen einfach nur gerne die Musik machen, die sie mögen und sie stellen sie ins Netz, für den Fall, dass Fans der genannten Genres drüberstolpern und sich freuen. Insbesondere Freunde von VNV Nation, Rotersand und von der Stimmung her so netten Kapellen wie Wingenfelder können mal vorbeischauen – es gibt weeeeeeeeeesentlich weniger nette Alben, die professionell und selbstbewusst über Label vertrieben werden, die Norderney nicht das Wasser reichen können. Also: Als Erzeugnis von Hobbymusikern wirklich gelungen, Daumen hoch.

 

Norderney

Without the limelight

 

30.04.2021

Eigenvertrieb

 

https://norderney.bandcamp.com/album/without-the-limelight

 

01. Rejection
02. Buddy
03. Miracles
04. Behavior
05. Signal
06. Contract
07. Erased
08. Fulfilled
09. Limelight
10. Impression