Es ist anzunehmen, dass Nocte Obducta weiterhin und noch deutlicher polarisieren werden. Auch wenn dies ein ungewöhnlicher Einstieg für eine Rezension ist, so halte ich sie für angebracht, denn "Umbriel (Das Schweigen zwischen den Sternen)", das zweite Album nach der Rückkehr auf die Bühnen und an die Regler der Welt führt die berechenbare Unberechenbarkeit der Band um Marcel "Traumschänder" Breuer konsequent fort. Oder eben auch nicht. Mit "Verderbnis" wussten mich die Wiederbelebten 2011 zu enttäuschen. So stark, dass ich schwer mit mir rang, bevor ich "Umbriel" eine Chance geben wollte. Doch wenn ich das bisher unstrukturierteste und leider auch wenig ansprechende Werk ausklammere will "Umbriel" wieder sehr gut in die Geschichte der Band passen. Deswegen gilt für alle Black Metaller mit Hang zum Naserümpfen bei Tellerrandartisten: Finger weg! Hier bekommt man Musik, die so viel näher an Post Rock oder Ambient (und eventuell ein wenig Doom und Drone) ist als am Schwarzmetall. Denn bis auf sehr dezentes Keifen und die grundsätzliche Melodieführung ist von den Wurzeln kaum noch etwas übrig geblieben. Umso erstaunlicher, dass man Nocte Obducta denoch wiedererkennt. Das liegt an dieser wohligen Grundstimmung, die sich wie ein roter Faden durch alle Werke zieht (und seien sie noch so unterschiedlich). Es ist die verzaubernde Lyrik aus der Feder von Breuer, die man sich seit jeher auch ohne Musik gerne zu Gemüte führte. Es ist das typische Riffing, dass auch in dieser dezenteren und zurückgenommeren Art und Weise unverwechselbar ist. "Umbriel" ist für mich ein Genuss in Ton, Wort und Bild Dank eines wundervoll gestalteten Booklets (mit Farbfoto der Band, Skandal!). Aber das Album ist schwer zu greifen, die einzelnen Lieder wechseln zwischen klar melodiösen Parts und Ambientpassagen. Kaum ein Song ist knackig und greifbar und "Umbriel" zieht düster und unnahbar am Hörer vorbei. Auf ganzer Länge gefallen Nocte Obducta, doch kann ein solches Werk wirklich stürmisch erobern? Können die Stücke Lieblingslieder werden? Ich glaube nicht. Und sicherlich werden viele sich schwertun, das Album zu mögen. Aber Freunde von Postrock oder Shoegaze mit ausgedehnten Ambientabschnitten sollten zumindest einen Probedurchlauf wagen und sich dann für Schwarz oder Weiß entscheiden.