Nach den beiden Singles im letzten Jahr beglücken uns Noblesse Oblige nun mit dem Album ‚Privilege entails Responsibility’. 12 Songs plus drei Hidden Tracks führen uns in beeindruckender Weise in die Tiefen der menschlichen Psyche. Was hier geboten wird wirkt einfach exaltiert und schmerzfrei und genau das ist es, was die Veröffentlichung von vielen anderen unterschiedet und auszeichnet. Jenseits eingefahrener Konventionen und weit weg von musikalischem Schubladendenken bieten Valerie und Sebastian textlich anspruchsvolle und teilweise auf den zweiten Blick beängstigend direkte Themen geschickt verpackt in melodisch bis kantige Vehikel, die den Hörer zunächst in falscher Sicherheit wiegen und dann ungläubig mit kurz starrem Blick verweilen lassen. ‚Caligula??? wirkt wie ein Intro zum folgenden Schauspiel und eröffnet vermutlich die gleichnamige Clubnight, die in London des Öfteren von Noblesse Oblige abgehalten wird: Klassische Töne verbunden mit pumpender Electronica, ganz ähnlich wie Arfmanns Interpretaionen Karajans und mindestens genauso gut. Gitarren rocken das bereits Single-erprobte ‚Bitch’ bevor osteuropäisch-folklore-taugliche zwei Minuten unverwechselbar charmant mit Religionen und Ideologien abrechnet. Kaum ausgekühlt vom ersten Einsatz kommen dann die Gitarren zusammen mit Big Beats zurück bevor ‚Daddy’ einen der oben beschriebenen ungläubigen Blicke beschert und den Hörer herausfordert das mental zu verdauen, was hier geboten wird. Die Peitsche leitet einen schlüpfrigen Indie-Blues erster Kajüte ein; was eine Stimme, die Valerie da präsentiert. Poetisch Kinski-esk schließt sich nahtlos ‚Was keine Zeit zerstöret an’ bevor verspielt ‚Quel Genre de Garcon’ die Stimmung lockert und zum druckvoll elektronisch dargebotenen ‚Fashist Fashion’ überleitet. ‚Night Train to Krakau’ ist der einzige schwächere Titel des Albums während ‚Surrender’ den Indie-Pop der 90er noch einmal revue ziehen läst. Laszive Casio-Romantik ohne Text mit tief-brummenden Gitarren beendet das Meisterwerk – fast zumindest, denn drei Album Titel werden als hidden tracks noch akustisch dargeboten. Welche, das sei an dieser Stelle noch nicht verraten. Das Spiel mit den Empfindungen beherrschen ‚Noblesse Oblige’ wie derzeit nur wenige andere. Die verschiedenen musikalischen Ausrichungen der Songs fügen sich zu einer musikalischen Kreuzfahrt mit Stopps an der französischen Cote de Chanson, Geisterinseln und auf Electro-Island zusammen, wobei man die am Ende bereits die Kabine für den nächsten Urlaub buchen möchte. Angst vor dem Eisberg sollte man jedoch nicht haben…