‚ … darf’s ein wenig mehr sein?’ fragte die nette Verkäuferin an der musikalischen Fleischtheke, nachdem sie 200g mehr vom Neo-Folk-Magical-Mystery-Filet abgeschnitten hatte als ursprünglich gewünscht. ‚Aber sicher, davon kann man nie genug haben!’ antwortete Sebastian und machte sich auf nach Hause in sein Studio, mit Valerie das dritte Noblesse Oblige Album zu produzieren. So in etwa könnte den Ausrichtungsprozess für ‚Malady’ gelaufen sein. Verwunderlich einerseits, da man das schillernde Duo bisher eher aus der Intelligent-Indie-Electro-Ecke kannte, wenig verwunderlich wenn man beim zweiten Album bereits etwas genauer hingehört hat oder wenn man weiß, dass die beiden mit ‚Fall Apart’ auch bereits auf einer auf den Konzerten erhältlichen Remix-CDR ein Stück von ‚Death In June’ gecovert haben. Vielseitigkeit ist es, was die Band auszeichnet, Weiterentwicklung ohne Identitätsverlust und ohne die Authentizität des Schaffens zu verspielen. Noch immer setzt man mit elektronischen Effekten Akzente, diesmal nur sehr viel subtiler. Bestes Beispiel dafür die erste Single ‚The Great Electrifier’. Genau wie in diesem Song stehen auch in den anderen Produktionen diesmal der Gesang und die akustische Gitarre im Vordergrund. Gute Idee, denn die Stimmen von Valerie und Sebastian klingen runder denn je, ohne dabei auch nur ein Quäntchen an Ausdrucksstärke zu verlieren. Die Band verzeihe mir die Idee, aber mit dieser Gesangsleistung würde ich Valerie doch glatt mal bei Nouvelle Vague vorbei schicken um dort eines der sich an Dramatik überschlagenden New Wave Cover wie ‚Bela Lugosi is Dead’ oder ‚Human Fly’ als Gast zu besingen. Thematisch – und das auch verrät gleich das Cover – beschäftigt sich ‚Malady’ mit Themen rund um den Okkultismus, Voodoo, Mystik und der bedinglosen Hörigkeit. Statt prominenter Synthesizer klackern in ‚The Great Electrifier’ Kastagnetten zu einer slow-motion Flamenco-Gitarre und erzählen von Männern königlicher Rasse, die Frauen im Maisfeld in die hoffnungslose Abhängigkeit lieben. Dann wieder Zitate von Aleister Crowley gefolgt von Trance-getrommelter Übersinchlichkeit in‚Tropical Fever’. Auch lässt sich Valerie dazu hinreißen die Cowbells in ‚Zanzibar’ betörend chanteusenhaft auf französisch zu begleiten. Noblesse Oblige verlassen sich diesmal in großen Teilen auf die Wirkung von verheißungsvollen, nicht einzuordnenden aber auf jeden Fall irgendwie verängstigenden Grundstimmungen gipfelnd darin, dass im letzten Song Flüche von tödlichen Geschwüren über Schlangenbisse bis hin zum generellen Unglück zu karaibischen Voodoo-Trommeln gezischt werden. Große strukturelle Gesten zu minimaler Instrumentierung schaffen es ‚Malady’ zu einem dieser Alben zu machen, die es verdient haben, in zehn Jahren unter der Rubrik ‚stark unterschätzte Klassiker’ erneut besprochen zu werden. Die bereits bei der Rezension zum ersten Album angesprochene mit Wahnsinn gepaarte Kunst blüht nach wie vor in tropischer Schönheit auf und liefert den Soundtrack zu schwül-heißen Sommernächten in drogenfreier (?) Voodoo-Trance.