Der Beginn einer neuen Ära! Das vielleicht mit Spannung erwartetste Album des Jahres steht kurz vor der Veröffentlichung und Fans und Kritiker warten gespannt, ob das erste Werk nach dem erzwungenen Ausstieg von Tarja Turunen, den hohen Erwartungen entsprechen kann. Seit einigen Monaten schwingt die Schwedin Annette Olzon im Studio das Mikro - ob sie in die übergroßen Fußstapfen Tarijas treten kann? Fragen über Fragen, die nur „Dark Passion Play“ beantworten kann. Also ohne große Umschweife, rein ins Vergnügen. „The Poet And The Pendulum” überrascht zunächst mit seiner Spielzeit: Knapp 14 Minuten! Was folgt ist ein erstes Statement in Richtung aller Skeptiker, die der Band das Aus vorankündigten. Wofür andere Bands mehrere Alben benötigen, schmettern die Jungs (und Annette) mal eben im Opener raus. Unglaublich! Hier wird jedem bewusst, wofür er gerade 15 € investiert hat. Rasante Tempowechsel, geile Gitarrenriffs, fette Chöre, ein unglaublicher Drive, verspielte, romantische Parts – alles! Dieser Song macht einfach glücklich und zeigt, dass es neben der 08/15 Chartdudelei noch richtige Musik gibt! Danke! Bei so viel Euphorie hätte ich fast vergessen, über Annettes Gesang zu philosophieren. Dieser kommt leichter und unaufdringlicher als bei ihrer Vorgängerin daher, rückt aber auf Grund des übermächtigen Songs fast in den Hintergrund. Mehr zu Tage kommt da schon beim folgenden „Bye Bye Beautiful“, dass man ohne schlechtes Gewissen als kleinen Bruder von „Wish I had an Angel“ sehen kann. Ein aggressives Duett von Annette und Marko, mit einem poppigen, druckvollen Refrain – funktioniert in jedem schwarz angehauchten Club! Vor Drogen haben mich meine Eltern immer gewarnt, aber doch können sie sooo schön sein. Die erste Singleauskopplung „Amaranth“ (zum Video) ist dafür ein exzellentes Beispiel. Beim ersten Hören noch kaum beachtet, windet sich dieser Song für den Hörer fast unbemerkt in die Gehirngänge und bewirkt unbewusstes Play-Drücken. Vor allem der eingängige Refrain und die verspielten Keyboard-Passagen lassen schlechter Stimmung keinen Platz. Leider können die folgenden Songs das Niveau nicht ganz halten. „Cadence Of Her Last Breath“ plätschert vorbei, während „Master Passion Greed“ sich zwar durch ungewöhnliche Härte und die starke Stimme von Marko auszeichnet, aber trotzdem nicht richtig zünden mag und bei den Nicht-Metal-Nightwish-Fans für Ohrenschmerzen sorgen wird. Da helfen auch die gelegentlichen Children of Bodom Trademarks nicht weiter – live möglicherweise aber ein Killer! Mit der Schmachtballade „Eva“ folgt das bereits bekannte erste Lebenszeichen Annettes als Nightwish-Sängerin. Balladen haben noch nie zur Paradedisziplin von Chefdenker Tuomas Holopainen gehört, doch diese überzeugt durch seinen sehr düsteren Touch. „Sahara“ und „Whoever Brings The Night“ gehören dann eher wieder in die Kategorie Durchschnitt – Bombast im Überfluss führt nicht automatisch zu guten Songs. Wie es besser klappt, zeigt uns „For The Heart I Once Had” – besticht dieser Song durch eine perfekte Kombination von Härte und Gefühl. Annette singt wie ein unschuldiger Engel, schafft es aber spielend, sich bei dem bombastischen Refrain gegen gefühlte 300 Instrumente durchsetzen zu können. Doch das kostet Kraft, so dass sie beim folgenden „The Islander“ Marko den Vortritt überlässt. Nur mit Akustik-Gitarre und Bodhran begleitet, schmettert er eine astreine Lagerfeuerballade vor. Einer dieser Songs, welche sicherlich auch Nightwish-Fans Schweiß auf die Stirn treiben würde, wenn man sie nach der Band dahinter fragen würde. Tolles Stück Musik! Mal ganz ohne Gesang kommt „The Last Of The Wilds“ aus – eine fette Instrumentalnummer, welcher sich irischer und finnischer Folkmusik bedient und mit knackigen Gitarren das großen Finale der CD eröffnet. Hoch die Tassen! „Seven To The Wolves“ überzeugt mit druckvoller Schwermütigkeit, unterstützt von fetten Chören. Leicht vertrackt im Strophenteil, jedoch ultraeingängig im Refrain mit einem wunderschönen Zusammenspiel von Cello und Orchester im Mittelteil, welches zu heftigen Gesangsausbrüchen Anettes führt. Zum Abschluss folgt erneut der Beweis, warum Nightwish auch nach dieser Scheibe zu den unumstrittenen Anführern der Female-Fronted-Metal-Bands gehören. Schwermütig singt sich Annette vorbei an Harfen, Geigen und Pianos um schlussendlich vor einer Wand aus Bombast und Chören zu stehen – diese eindrucksvoll zähmen kann, um in einem gigantischen Zusammenspiel aller Beteiligten (inklusiver einem Gospelchor) auf der Spitze zu thronen und sich als neue Herrscherin des Nightwish-Imperium krönen zu lassen. Fazit: Nennt mich einen Königsmörder, aber ich bin froh über den Wechsel am Mikro dieser Ausnahmeband. Eine neue, ansteckende Leichtigkeit erfüllt dieses CD, auch wenn der Großteil der Tracks eher düster und schwer erscheint. Annette zuckersüße Stimme verbindet sich in perfekter Weise mit den sehr eingängigen Songs, ohne sie zu übertrumpfen – Da capo! Eines der Highlights des Jahres 2007!