Wenn zwei so illustre Typen wie Warren Ellis und Nick Cave Sounstracks schreiben, erwartet man eigentlich rockende Ungetüme á la Grinderman, Bad Seeds oder The Dirty Three. Bands, in denen sich die beiden seit Jahren bzw. sogar Jahrzehnten austoben und live ganze Bühnen zerlegen können. Doch gerade bei den Soundtracks zeigen sich die zwei Australier von einer sehr introvertierten, melancholischen, ja, fast depressiven Seite, aber auch von einer sehr wundervollen. Das nun vorliegende Doppelalbum "White Lunar" gibt einen umfassenden Einblick in die kompositorischen Ergüsse der beiden, die sie für Filme und Dokumentationen eingespielt haben. Der wohl bekannteste Soundtrack dürfte der zu "Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford" sein, in dem Nick Cave auch kurz zu sehen ist. Wie der Film strahlt auch die Musik eine tiefe Ruhe aus und spiegelt Einsamkeit und Verlassenheit wider. Noch extremer sind die Songs zu "The Proposition", zu dem Nick Cave auch das Drehbuch schrieb. Diese Stücke sind noch am ehesten als Songs zu bezeichnen, Herr Cave singt bisweilen sogar. Trotzdem schreit auch hier aus jeder Note Verzweiflung. Die Tracks zu "The Road", einer noch nicht erschienen Verfilmung einer Cormac McCarthy Vorlage, sind noch schwärzer, aber durch den Einsatz von Streichern auch voluminöser. Es ist vor allem das Zusammenspiel von melancholischem Klavier und traurig knarzender Geige, mit dem sich Nick Cave und Warren Ellis gegenseitig zu hypnotisieren scheinen und emotional dunkles Terrain betreten. Auf der zweiten CD, die Musik zu den zwei Dokumentarfilmen "The English Surgeon" und "The Girls Of Phnom Penh" wird dieses Konzept noch eindringlicher verfolgt. Das Harmonische weicht hier teilweise geisterhaften Geräuschen und vermittelt einen noch trostloseren Eindruck. Der experimentellere Einschlag mit einem unruhigen Geigenspiel, Industrial-Einflüssen und sich entwickelnden Songs fordert mehr Aufmerksamkeit, zeigt aber auch gleichzeitig, wie krass sich Nick Cave und Warren Ellis von bekannten Pfaden entfernen können. "White Lunar" ist ein sehr atmosphärisches Album, das die beiden Musiker von einer empfindlichen Seite zeigt, die man so an ihnen nicht vermutet hätte.