Ein Jahr nach dem großen Erfolgsalbum "Murder Ballads" erschien bereits das nächste Album der Bad Seeds. Das Cover von "The Boatman's Call" aus dem Jahr 1997 zeigt einen nachdenklichen, düster drein schauenden Nick Cave. Hört man sich das Album an, stellt man schnell fest, dass es hier mitnichten so munter frivol und frevellos wie auf dem Vorgängeralbum zugeht. "The Boatman's Call" enthält Liebeslieder, Balladen die einen sehr introspektiven Nick Cave zeigen. Was war da los? Nick Cave hatte einige sehr persönliche Ereignisse zu verarbeiten. Zum einen die schon etwas länger zurück liegende Trennung von Viviane Carneiro. Die Beziehung zu dem brasillianischen Model hatte seinerzeit das Album "The Good Son" positiv beeinflusst. Noch ziemlich frisch war die Narbe durch die Trennung von PJ Harvey. Die Liason bandelte sich bei den Aufnahmen zu "Henry Lee" vom Album "Murder Ballads" an. Beiden Frauen scheinen einige der Songs gewidmet zu sein, wobei das Wort Widmung in diesem Zusammenhang eine zu positive Konnotation hat. Schließlich rechnet Herr Cave auf dem Album auch ordentlich ab. Was bedeutet das für die Songs? Eine so stark zurück genommene Instrumentierung, dass sich nur schwer vorstellen lässt, wie die Bad Seeds mit diesem von Nick Cave gewünschten Minimalismus zurecht kamen. Ein wenig Geige, viel Klavier oder Orgel, ein bischen Schlagzeug und Bass und ab und an dazu eine Gitarre. Das Ganze dann noch schön im Midtempo, so dass wir fast bei Musik für verrauchte Bars sind, in denen verlorene Seelen auf ihr Ende warten. Nick Cave singt zwar von Liebe und Hoffnung, aber auch von Trennung und Schmerz. Selbst bei Liebesliedern hat er also seine düstere Sichtweise nicht verloren. Hinzu kommt sein wachsendes Interesse für das neue Testament. Die biblischen Bezüge sind deutlich heruaszuhören. Nicht zuletzt spielte er den Eröffnungssong "Into My Arms" auf der Beerdigung von INXS-Sänger Michael Hutchence. Rückblickend dürfte Nick Cave die Zurschaustellung seiner sehr persönlichen Erfahrungen vielleicht etwas zu weit gegangen sein. "The Boatman's Call" erhielt nicht mehr ganz so viel Aufmerksamkeit wie die "Murder Ballads", zählt aber zu einem der besten Seeds-Alben. In Australien wurde es sogar unter die ersten 30 der 100 besten australischen Alben gewählt. Vielleicht ist es die Verletzlichkeit, welche die Songs ausdrücken, vielleicht auch ihre Emotionalität. Klar ist, dass Nick Cave seine Art zu texten veränderte, genauso wie die Bad Seeds ihre Art zu musizieren änderten bzw. ändern mussten. Hier hatte sich etwas im Gegensatz zu früher verändert. Die spielerische Leichtigkeit war verschwunden. Die Extravaganz konnte man nur noch in den Texten und dort auch nur noch sporadisch finden. Seine Bissigkeit hatte Nick Cave trotzdem nicht verloren. Und deshalb ist "The Boatman's Call" auch heute noch ein wundervolles Album, wenn es auch ein wenig zu persönlich und zu ruhig geraten ist.