Verfolgt von den Dämonen der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft, ist Nick Cave ein äußerst umtriebiger Mann. Es ist noch gar nicht so lange her, da beschäftigte sich der literarisch veranlagte Australier, der seit der Grinderman-Ära mit unübersehbarem Schnauzbart durch die Gegend läuft, mit blutrünstigen Western und deren Vertonung in Form eines Soundtracks. Und eben jenen Grinderman, diesem sonderbar rockigen aber schlichten Gewächs. Eine Überleitung von der australischen Wüste oder den Schindern hin zum neuen Nick Cave & The Bad Seeds-Album "Dig, Lazarus, Dig!!!" ist so gut wie unmöglich und gleichzeitig auch ziemlich schnuppe, denn eine Überleitung macht im Geiste von Herrn Cave auch wenig Sinn. Genauso wie die Aufforderung an einen Heiligen, sich selbst zu begraben. Dieser besagte Freund von Jesus namens Lazarus, der von ersterem bekanntlich von den Toten auferweckt wurde, stapft nun dank Herrn Cave durch das neuzeitliche New York. Um noch einmal das Theme Ein- bzw. Überleitung aufzugreifen. Es gibt doch eine. Dazu muss man zum 1992er Alubm "Henry's Dream" zurückgehen. Damals wollte Nick Cave eine Akustik-Platte aufnehmen. Den gleichen Vorsatz hatte er sich auch für "Dig, Lazarus, Dig!!!" gesetzt und ist damit heute genauso kläglich gescheitert wie damals. Ist aber überhaupt nicht weiter schlimm, denn das neue Werk glänzt neben seinem etwas sperrigen Eindruck gegenüber dem 2004er Erfolg "Abattoir Blues / The Lyre Of Orpheus" vor allem durch den für die Seeds so glorreichen Rock und ein paar sehr einfallsreiche Soundtüfteleien. Natürlich tobt sich Nick Cave lyrisch wieder vollkommen aus. Textzeilen wie "albert he goes west/ he crossed the vast indifferent deserts of Arizona. He had a psychotic episode on a dude ranch that involved a bottle of ammonia." sind einfach nur zum Hinknien. Sich selbst bezieht er in seine eruptiven Wortschwalle auch mit ein, wenn er sich in "We Call Upon The Author" mal eben auf die Anklagebank setzt. Eigentlich ganz zu Unrecht, gehört er doch mit seinen Bad Seeds zu einer aussterbenden Art von Musikern, nämlich zu denen, die einerseits noch was auf dem Kasten haben und andererseits einer Mission, einem Ideal bzw. einem inneren Drang, Songs zu schreiben, folgen. Wenn dann dabei so ein krachig-rockiges Album wie "Dig, Lazarus, Dig!!!" entsteht, scheint die Welt perfekt zu sein oder erscheint zumindest in einem anderen Licht, nachdem man von Nick Caves literarisch aufmüpfigen (!Bukowski was a jerk! Berryman was best!!!") und selbstmörderischen ("get ready to shoot yourself") Weisheiten erleuchtet wurde. Zusammen mit schrägen Geigengefidel, verrückten Orgeltönen und bretternden Gitarren ist es genau das Nick-Cave-Album, das wir jetzt gebraucht haben Unser Dank geht an Nick Cave, Mick Harvey, Warren Ellis, Martyn Casey, Jim Sclavunos, Thomas Wydler, James Johnston und Conway Savage sowie Produzent Nick Launay.