Neonrain mag nicht unbedingt zu den bekanntesten Acts im Bereich Industrial/Power Electronics/Dark Ambient gehören, wohl aber zu denen, welchen möglichst viel bzw. noch mehr Gehör geschenkt werden sollte. Serge Usson, u.a. federführend beim Label Steelwork Maschine, gründete Neonrain bereits 1998, mit einem Tape mit Aufnahmen aus den Jahren 1992-1997 im Gepäck. Ein Album und eine Split-CD später veröffentlichte der umtriebige, in etliche weitere Projekte involvierte Franzose seine gesammelten Werke anno 2003-2007. „We are meat/The Vultures“ erschien 2008 als Doppel-CD im Digipack, limitiert auf rare 1000 Stück. Entgegen erster Erwartungen präsentieren die beiden CDs kein kompiliertes Stückwerk aus möglicherweise unterschiedlichen Schaffensperioden, sondern wirken im Gegenteil straff durchkonzipiert und aus einem Guss – und das nicht nur jede CD für sich, sondern beide Alben im Gesamtkontext. Da Serge Usson bei dieser Veröffentlichung nicht auf Gesang und Text verzichtet, lässt sich die Intention von „We are meat/The Vultures“ gut erfassen und verstehen. Das harte Leben und schwere Leiden der ausgebeuteten Sklaven der Arbeiterklasse, hilflos ausgeliefert den Mächtigen und Wichtigen dieser Welt, steht im Mittelpunkt von CD 1 „We are meat“, während die zweite CD, „The vultures“, zu deutsch „Die (Aas)geier“, all jene ins Zentrum des Geschehens rückt, die kräftig daran arbeiten, die Gesellschaft zu noch mehr Chaos und Zerstörung zu führen, die den Widerstand mobilisieren und dem vorherrschenden System nur mehr Verachtung entgegenbringen. Eine außerordentlich punkige Einstellung, die man hier spontan nicht erwartet hätte. Usson nutzt eine breite Palette an Sounds, Geräuschen und Rhythmen, um seine Gedanken und Meinung musikalisch fassbar zu machen. „We are meat“ umfasst sieben Tracks, alle gänzlich unbetitelt und fließend ineinander übergehend, und spielt gekonnt mit Gegensätzen. Brachiale, brutale Elektronik reibt sich an kratzigen, wüst lärmenden Punk- und Metal-Gitarren – bisweilen sogar ein wenig an alte Godflesh und Ministry erinnernd –, trifft auf gesichtslose Voice-Samples, schwelgend in doomigen, düsteren Hall- und Soundeffekten, einer langsamen, schweren Walze auf Todeskurs gleichend, dem Puls, dem Herzschlag einer düsteren, stinkenden, schmutzigen Fabrik, unheilvoll und bedrohlich. „We are meat“ ist Lärm, Pein und Elend. „The Vultures“ schlägt hingegen eine andere Tonart ein, ohne freilich der Brachialität völlig abzuschwören. Die Mischung aus „echten“ Songs und mutierten Lärm- und Geräuschkaskaden schließt nahtlos an die erste CD an. Hier und da finden poppige Minimal-Synth-Strukturen sowie Ambient-Soundcollagen Eingang. Sogar choralähnliche Stimmen, hypnotisch, beruhigend, schmeicheln dem Ohr, um von metallisch hämmernden Rhythmen sogleich gepeinigt zu werden. „The Vultures“ hat szenischen, soundtrackartigen Charakter, wobei Track 6 spontan an alte Projekt Pitchfork-Titel erinnert – ein Anflug einer Idee, die einen Titel später schon wieder verschwindet, und endet in einer überraschend hymnisch-orchestralen, endzeitverdächtigen Darbietung. Serge Usson hat mit „We are meat/The Vultures“ ein intensives, homogenes Doppelwerk abgeliefert, das eine deutliche Sprache spricht, extreme Stimmungen transportiert und eher nachdenklich macht, denn der reinen Unterhaltung dient. Grundsätzlich nur für toughe Gemüter geeignet, aber diese werden die Veröffentlichung dann auch entsprechend goutieren.