Nacht liegt über dem Land. Das Mittelalter, das mit seinen typischen Instrumenten Dudelsack, Drehleier, E-Gitarre und Schlagzeug inzwischen in fast jeder Stadt eine Band auf den Plan gerufen hat, ist allgegenwärtig. Die Szenegrößen Subway to Sally, In Extremo, Saltatio Mortis, Schandmaul, Tanzwut, etc sind inzwischen fester Bestandteil auf Parties und sogar im Fernsehen, auf speziellen Mittelalterparties kommen die DJ's inzwischen mit 6 gebrannten CDs aus, denn entweder verwurschten eigentlich alle Bands das „Palästinalied“ zum zigtausendsten mal, oder sie klingen trotz eigener Kompositionen doch irgendwie gleich. Denoch steppt bei diesen Parties der Papst, auf Konzerten ist ein Gemeinschaftsgefühl zu spüren, wie man es sonst nur von Man-o-War und den Wildecker Herzbuben kennt. Unglaublich, mitreißend aber musikalisch betrachtet häufig nicht mehr wirklich interessant. Und nun ein Nachtgeschrei, ein „Hoffnungsschimmer“ - nein, keine erdachten kitschigen Floskeln sondern Bandname und Debuttitel einer jungen Band aus Frankfurt, die seit 2 Jahren versuchen, nicht das Mittelalter in die Neuzeit zu tranferieren, sondern zeitgemäßen Rock unter Zuhilfenahme von mittelalterlichen Intrumenten zu schaffen. Laut der Bandinfo hat man sich durch Konzerte mit unter anderem einigen der obengenannten Szenegrößen bereits einen Namen in der Szene gemacht und so ging ich völlig blauäugig an die Sache heran, denn der Name sagte mir nichts. Stimmungsgeräusche, Wind, Raben und dann ein Dudelsack – was sich „Intro“ nennt ist auch eines, ich will Musik, also auf zum Titelsong. Der beginnt, wie man es kennt : Die Drehleier dreht gegen eine E-Gitarrenwand an, eigentlich alles wie gehabt. Dann setzt der Gesang ein und für mich ist er es, der eine Besonderheit in der Masse ausmachen könnte. Grundsätzlich finde ich die Aufnahme von Hotti's (...) Gesang ziehmlich fragwürdig : viel zu schwammig, gedrückt und manchmal auch zu leise – es klingt, als ob das Mikro im Nebenzimmer aufgebaut wurde. Ob dieser Effekt absichtlich verwendet wurde um einige Versinger zu überdecken ? Jau, der Gesang ist zumindest eigen, braucht noch einiges an Übung, um wirklich alles Töne zu treffen und auch etwas mehr Abwechslung einbauen zu können aber grundsätzlich ist er sehr eigenständig. Er ist einfach nicht vergleichbar mit einer bekannten Mittelalterband sondern erinnert mich wirklich an .... Ostrockbands. Kennt noch einer City, Karat oder die Sterncombo Meißen – irgendwie könnte der Sänger von Nachtgeschrei auch bei diesen Bands problemlos vorsingen. Auf jedenfall sehr interessant, wenn auch eben nicht ganz perfekt. Am gelungensten ist der Anfang von der „Reise zu den Seen“, da macht Hotti alles richtig.... leider verliert sich das Lied mit dem Einsatz der E-Gitarren in einem enttäuschenden Brei. Die deutschen Texte gehen in Ordnung, bedienen wirklich nicht die üblichen Klischeethemen (wobei, die Sehnsucht ist eigentlich das Hauptmotiv und die wird ja auch bei allen anderen Szenevertretern immer wieder begesungen...) sind aber auch nicht gerade große Lyrik. Nett aber an manchen Stellen auch nervend (Im Titelsong wird immer wieder „Ich fühl es, ich hör' es, ja ich seh es doch ich glaub es nicht“ gesungen, klingt unheimlich platt und abgedroschen). Ansonsten ist die Instrumentierung gut mit Schwankungen, zum Teil kommen schräge Flötentöne ins Konzept und lassen das ganze nach Kindergeburtstag klingen, dann wieder hört man eine leise abgemischte aber pfeilschnelle Doublebass. Das Songwriting geht in Ordnung, kommt aber aus dem Durchschnitt nicht heraus. Auf ganze Albumsicht kommt etwas Langeweile auf und man erkennt die Unterschiede zwischen den einzelnen Songs nicht mehr. Zwei Lieder haben es mir angetan, „Lass mich raus“ und „Die Flügel“ sollen deswegen auch die Anspieltipps sein. So wirklich überzeugt haben mich Nachtgeschrei nicht. Wenn der Gesang etwas professioneller wäre, die Aufnahme besser und das Songwriting abwechslungsreicher dann könnte sich Nachtgeschrei zu einer echten Alternative entwickeln, denn auch wenn es Bandname und Albumtitel befürchten lassen suhlt man sich nicht in allen Kitsch- und Klischeepfützen. Dann stellt sich aber auch wieder die Frage, inwieweit die Szene diesen Ausbruch aus dem normalen Konzept will, denn das „Palästinalied“ wurde gar nicht gecovert.