Minimalelektronik im Stile von Haus Arafna trifft auf die klassische Sphärenmusik der frühen Tangerine Dream... Liest man so das Presse-Info zu "Schwester Thelesitis", Debüt-Album sowohl für das Industrial/Noise/Avantgarde - Projekt NAARMANN & NEITELER als auch das Münsteraner Label Einzeleinheit, so kommt das Gefühl auf, daß man ebendort vielleicht über alles klagen kann, nur nicht über einen Mangel an Selbstbewußtsein. Eine Symbiose aus "House Of God" und "Alpha Centauri"? Für jenen, der beide Scheiben sowohl im Regal als auch recht weit vorn auf der Liste der persönlichen Favoriten stehen hat, durchaus Anlaß zur Skepsis. Und dann... ...dann tönen irgendwann, nach abgedrehten, kratzigen, schrägen, bizarren, hypnotischen, experimentellen, industriellen 42 Minuten (ob diese Zahl beabsichtigt ist?), die letzten Klänge der "Märtyrermaschine" aus den sich langsam wieder entspannenden Boxen, und dem Hörer offenbart sich, daß die eingangs zitierte Beschreibung des Albums präziser kaum sein könnte: Irgendwo zwischen schwebender Analog-Elektronik, maschinell anmutenden Geräuschcollagen, scheinbar zufällig eingestreuten und letztlich doch wieder auf eigenartige Weise Sinn ergebenden Rhythmen und sogar Ansätzen von Melodien treiben die Herren Naarmann und Neiteler auf ihrem Debüt-Album fernab von allen Konventionen und den Einschränkungen stilistischer Schubladen das musikalische und textliche Konzept von Schwester Thelesitis voran, konfrontieren den Hörer - auf eigenartige und zunächst beeindruckend gewöhnungsbedürftige Weise - mit konfusen, unscharfen, beunruhigenden Bildern in einer Intensität, die man in dieser Musikrichtung leider selten findet. Auf diese Weise entsteht eine kühle, brachiale, fesselnde Atmosphäre, die von der ersten bis zur letzten Sekunde des Albums in ihren Bann zu ziehen vermag... Schlußendlich also ist "Schwester Thelesitis" ein in jeder Hinsicht beachtliches Debüt. Man kann nicht unbedingt behaupten, daß Veröffentlichungen zwischen Elektronik, Industrial und Noise dieser Tage rar gesät wären, umso mehr erfreut es, auch in dieser Richtung wiedermal ein richtig gelungenes Werk zu erleben, das nicht "nur" elektronischer Krach, sondern auch noch originell ist, eine große Portion Eigenständigkeit und Köpfchen mitbringt. Wer sich für Haus Arafna / November Növelet, Coil, vielleicht noch Converter und vergleichbare Klänge begeistern kann und/oder sich gern ein Bild davon machen möchte, welche Musik Tangerine Dream derzeit kreieren würden, wenn Edgar Froese zwei Jahrzehnte später geboren worden wäre und die fr??hen Jahre seiner Karriere nicht im Umfeld von Salvadore Dali, sondern beispielsweise H. R. Giger verbracht hätte, der kann mit "Schwester Thelesitis" nicht allzu viel falsch machen. Auf diesem Gebiet sicher schon jetzt eines der Highlights dieses Jahres.