Nach mehr als zehn Jahren ist es endlich soweit. Viele wagten nicht mehr zu hoffen, aber Mötley Crüe zeigen mit dieser Platte, dass sie noch lange nicht ihr ganzes Sleaze-Rock-Pulver verschossen haben. Saints of Los Angeles nennt sich das neue Album der vier ursprünglichen Mötley Crüe Mitglieder, die sich mal wieder zusammengerauft und für den Release der Scheibe sogar ein eigenes Label namens Mötley Records aus dem Boden gestampft haben. Als Gesamtwerk betrachtet, erschließt sich dem Hörer ein wunderbarer Bogen, der die Story der Band geschichtenähnlich widerspiegelt. Auch Nikki Sixx sagt, dass sich das Album als Soundtrack zur bald erscheinenden Mötley Crüe Filmographie "The Dirt" sehr gut eignet. 

Das Intro "L. A. M. F." wirft einen mitten ins Geschehen in der Stadt der Engel. Mit der Vorhersage "This City Of Angels Will Seduce You" wird man direkt in Los Angeles willkommen geheißen und ohne Umschweife befindet man sich schon im Opener "Face Down In The Dirt". In diesem werden die durchschnittlichen 9-to-5-Worker einmal mehr mit abschätzigen Rockerblicken bedacht. Die Aussage ist eindeutig: ich will viel Geld haben, aber weder zur Schule gehen, noch einen richtigen Job haben. Ich möchte nicht so sein wie du. Besonders die jüngeren Hörer dürften bei diesem Song einmal mehr vom (vermeintlich) schillernden Rockstarleben träumen. Musikalisch kommt der Track gewohnt rotzig und trotzig daher. Wer liegt nicht lieber mit einem Kopfschuss im Dreck, als einem anständigen Job nachzugehen. Es lebe also die Rock’n’Roll Attitude. 

 Weiter geht es mit "What’s It Gonna Take". Ein Rückblick auf die Anfangszeiten von Mötley Crüe. Keiner mochte die Demos. Alle prophezeiten: keine Chance, Jungs, ihr werdet nie einen Hit schreiben. Unverdrossen und selbstbewusst zogen die vier trotzdem los und verkauften ihre Musik aus dem Autokofferraum. Genau davon erzählt dieser Song. Einprägsame Hooks inbegriffen. Mit "Down At The Whiskey" ist der erste Höhepunkt der Scheibe erreicht. Eine sehr stimmige Hommage an die guten alten Zeiten, da man als Ausreißer in L. A. ankam, die Mädels noch Miete, Tattoos und Zigaretten bezahlten. Alles streng nach dem Motto: kein Geld, aber eine verdammt geile Zeit. Die Anfangszeit von Mötley Crüe eben. Aber auch eine Hommage an einen der L. A. Kultclubs schlechthin: das Whiskey A Go Go. Zahlreiche Karrieren wie die der Doors nahmen hier ihren Lauf. Bei diesen Zeilen dürfte wohl bei vielen etwas Wehmut aufkommen. 

Der Titeltrack "Saints Of Los Angeles" müsste schließlich auch die letzten Zweifler überzeugen und mundtot machen. Ein Kracher ganz im Stil der alten Mötley Crüe-Songs. In der auf dem Album enthaltenen Gang Vocal Version bekommt Vince Neil gesangstechnisch Unterstützung von den Sängern der Bands Papa Roach, Buckcherry, Trapt und Sixx: A. M., die zusammen mit Mötley Crüe auch das Crüefest 2008 bestreiten. "MF Of The Year" zelebriert ähnlich wie "Just Another Psycho" ein verqueres, destruktives Menschendasein, welches alles zerstört, was seinen Weg kreuzt. I am a rocker and I don’t give a fuck. Zwei solide Songs, die das Geschehen des Albums weiter vorantreiben. Definitiv ein weiterer Höhepunkt des Albums ist "Animal In Me". Ein wunderbarer Lovesong, der aber ohne schmalztriefende Lyrics auskommt. Dank der sehr einprägsamen Melodie und des eingängigen Chorus besitzt dieser Song eindeutig Ohrwurmpotential. 

Der nächste Track behandelt in aller Ausführlichkeit die Tücken des Musikbusiness, einer schier unersättlichen Maschine. Dementsprechend lautet der Titel des Songs "Welcome To The Machine". Mötley Crüe liefern hier in gewohnt rotziger Art und Weise eine wunderbar kritische Ansicht über die Negativaspekte des Stardaseins. Ein vorwärtstreibendes Schlagzeug und eine energiegeladene Gitarre liefern eine klasse Unterlage für Vince Neil, der, mal hechelnd, mal schreiend, seiner Verachtung Ausdruck verleiht. Es folgt "Chicks = Trouble", ein grandioser Song, der in bester Mötley-Manier von Anfang an kräftig vorwärtsrockt und dessen bitterböse Lyrics, mit einem Augenzwinkern versehen, von shoppinggeilen (Rocker-)Frauen, den Gold-Digging Whore[s], erzählen. Frei nach dem Motto: Brüste raus, Rockstar heiraten, Geld zum Fenster rauswerfen, scheiden lassen und noch mehr Kohle absahnen. Spätestens nach diesem Song ist dies das Lebensziel (fast) jeder Frau. Definitiv einer der überzeugendsten Tracks des ganzen Albums. 

Das sich anschließende "This Ain’t A Love Song" distanziert sich mit den Zeilen "This Ain’t A Love Song, This Is A Fuck Song" eindeutig von den weitverbreiteten, handelsüblichen Lovesongs, die nach herkömmlichem Strickmuster Dinge in den Himmel heben, die es sowieso nur im Märchen gibt. Mit einer Prise Realismus, aber auch Sarkasmus und getreu dem Rocker-Wahlspruch Sex, Drugs and Rock’n’Roll widmen sich die Jungs hier thematisch unverbindlichen One-Night-Stands ohne schlechtes Gewissen und lästiges Grübeln. Nicht nur in Hollywood nimmt sich eben von Zeit zu Zeit jeder, was er braucht. Mit "White Trash Circus" biegen die vier auf die Zielgerade ein. Mötley Crüe zelebrieren sich hier nicht ohne eine gewisse Ironie und Anspielungen auf die zahlreichen Rechtsstreits selbst. Es geht um den Rockstar-Lifestyle. Es geht darum, dass Streit in einer Band dazugehört, dass man sich aber immer wieder zusammenrauft, weil es gar keine andere Alternative gibt. "Someone’s Gotta Quit Or Someone’s Gotta Die". So sieht’s aus. 

Den Abschluss von "Saints Of Los Angeles" bildet "Goin’ Out Swingin’", dessen zentrale Aussage wohl die Zeile "You Can’t Stop Us" sein dürfte. Mötley Crüe präsentieren sich abschließend als Gang Of 4, die zusammenhalten, zerstören, rocken und eben nicht zu stoppen sind. Eine Message, die hoffen lässt, dass Mötley Crüe noch lange nicht fertig sind und die Welt auch weiterhin mit ihrem einmaligen Sleaze-Rock bombardieren. 

 Fazit: Mit der Scheibe beweisen Mötley Crüe, dass sie eindeutig nicht zum alten Eisen gehören und dass man immer noch mit ihnen rechnen muss. Kraftvolle Drums, ein ausgewogener Bass, abwechslungsreiche Vocals und eine schier funkensprühende Gitarre wissen zu überzeugen. Eine Platte im typisch satten Mötley-Crüe-Sound, mit dem die Band nahtlos an die Vorgänger anknüpfen kann. Definitiv ein Album für jeden, der die Zeiten von Haarspray, kurzen Röcken, extravagantem Make-Up und Netzstrumpfhosen noch nicht vergessen hat oder ihnen immer noch verfallen ist. Jungs und Mädels, es darf wieder gepost werden!