Als wäre die Zeit stehen geblieben erklingen mit dem Zweitwerk von Model Kaos in meiner Bude wieder Klänge aus einer Zeit, als der Gothrock durch deutlichen Elektronikeinsatz aufgeweicht wurde, die Unterscheidung zum Dark Wave schwerer fiel und ein ganz eigener, fließender und oftmals etwas schwammiger Sound entstand. Ob nun Crüxshadows, Behind the scenes oder London after midnight - allen dreien hätte ich den Opener mit seinem übermächtigen Keyboardteppich problemlos zugeordnet und angenommen, einen Song aus dem Jahr 1998 zu hören. Kann nun aber eine aktuelle Band mit diesem zugegebenermaßen nicht mehr topaktuellen Sound noch einmal aufhorchen lassen? Und darf sie den Opener dann auch noch "New age" nennen? Immerhin nennen Model Kaos ihr zweites Album 'Phoenix' und lassen einen altbekannten Sound eher auferstehen. Das Trio aus Würzburg gründete sich vor gerade einmal 3 Jahren und nach einem respektablen siebten Platz in den Deutschen Alternative Charts mit ihrem Debut ‚Ghost market‘ setzen sie nun nach einigen Besetzungswirren am bestehenden Konzept an. Das zweite Stück "Running" lässt noch deutlich besser spüren, was man damals an dem Sound mögen konnte. Treibend, fließend harmonieren KRIS‘ angenehmer Gesang, die synthetischen Klänge und Beats und die eher zurückhaltenden Gitarren miteinander. Doch bringen Model Kaos auf Albumlänge auch eine der Schwächen des Genres zutage: die Melodien und Ideen gehen geschmeidig ineinander über und Konzeptausbrüche sind fast nicht vorhanden, sodass "Phönix" irgendwann einfach zu wenig zu bieten hat. Das liegt nicht unbedingt an der Band allein. Die verpasst es zwar, denkwürdige Melodien zu kreieren, doch versuchen sie durch Geschwindigkeitswechsel und Stimmungsänderungen, Abwechslung zu bieten. Die weichzeichnende Produktion trimmt aber alle Spuren auf Einheitlichkeit. Naja, nicht ganz - leider ist gerade der Schlagzeugsound sehr klar zu hören und fällt durch seinen Holz-auf-Eimer Klang nicht unbedingt positiv aus dem Rahmen – man lausche nur einmal „Open waters“, das düster-elektronisch beginnt und absolut überzeugen könnte, wenn da nicht dieser metallicaeske St.-Anger-Gedenk-Trommel-Sound wäre. Es fällt mir nicht schwer, Model Kaos positive Eigenschaften zuzuschreiben. Sie holen viel aus diesem speziellen Sound heraus und können Fans angesprochener Bands sicherlich gefallen. Sie sind bemüht, bei der Elektronik zum Teil ungewöhnlich harte Töne zu wagen. Das Album ist hörbar mit Freude an der eigenen Musik entstanden. Es fällt mir aber auch schwer, überzeugt zum Kauf zu raten. Freunde insbesondere der Crüxahadows sollten auf jeden Fall reinhören ("Running", "Into the deep" oder "The master" wird man vielleicht sogar mal in den selten gewordenen Diskotheken mit einem Gothrock/Dark Wave Floor zu hören bekommen). Fans dieser Spielart mit Interesse an hoffnungsvollen Bands aus der zweiten Reihe können gerne reinhorchen. Ein wirkliches Pflichtprogramm ist ‚Phoenix‘ aber auch für sie nicht.