Voreingenommen ging der hier Schreibende an das zweite Album des Spaniers César Cruz, hatte doch das Debut 'Cold & Strong' wenig Eindruck hinterlassen, und dieser war auch nicht unbedingt positiv. Aber Cds wollen besprochen werden und so lag dann 'Out of context' in meinem Briefkasten und ich erwartete wieder 1) etwas uninspirierten EBM in 2) verschiedensten Sprachen, der 3) nicht zum erneuten Reinhören einlädt. 1) und 2) sind teilweise wieder erfüllt, doch 3) wurde ersetzt mit einer sehr überraschenden lockeren Beschwingtheit, die das Album zu einem echten Geheimtipp machen kann. Also weiterlesen! Das Fundament, auf dem César Cruz seine Ideen aufbaut ist klassischer EBM oder Cold Wave, wenn auch wenig aggressiv oder vorantreibend. Aber bereits die Verpackung zeigt deutlich die Wandlung, die das Projekt vollzogen hat. War das Debut noch in düster rot-schwarzen Farben gehalten sehen wir nun südeuropäische Spätsommeridylle, einen blauen Himmel und auf der Rückseite einen Musiker, der durch die E-Gitarre eher dem Rock zuzuordnen wäre. Ganz ohne Vorwissen würde ich auch genau davon ausgehen: hier erwartet den Hörer klassischer und entspannter (Stoner) Rock. Cruz ist es auf 'Out of context' gelungen, eine solche Stimmung mit dem klassischen EBM-Unterbau zu verbinden und so gleich zu Beginn mit „Als die Liebe nur ein Spiel war“ eine Melodie zu schaffen, die sich wunderbar in die Gehörgänge fräst. Gesanglich überzeugt Cruz auch ein Stück mehr, denn seine Stimme passt einfach besser zu diesen persönlichen und emotionaleren Melodien. Der Titeltrack ist durch E-Gitarrenbegleitung und quäkige Keyboards eher dem Coldwave oder Synth-Pop zuzuordnen. Macht aber nichts, den der Track funktioniert wunderbar. „Deadpoint“ erhört als vierter Track die Geschwindigkeit ein wenig und reißt den Hörer beschwingt mit sich, „Niets Nieuws Onder De Zon „ setzt das angenehm fort, „North face of my soul“ und „Empty of love“ versetzen uns endgültig in die 80/90er und das abschließende „Christine“ ist ein gelungener Abschluss, der mich ein wenig an Clan of Xymox erinnert. Deutlich muss man auf Kritikpunkte hinweisen: Das Album ist in meinen Augen ein Gesamt(Kunst)Werk und damit fällt es schwer, Titel zu nennen, die das Zeug zum Klassiker haben. Kein Stück haut den Hörer um, sie entwickeln sich eher mit jedem Durchlauf. Auch kann man durch die Gleichförmigkeit in Takt, Aufbau und Sound schnell von Eintönigkeit sprechen und weiterhin zweifle ich wie bereits auf dem Debut an, ob Gesang in Sprachen, die man selbst nur bedingt beherrscht immer eine gute Idee sind. Doch witzigerweise ist die Dramatik in der Stimme und die Melodie von „Als die Liebe nur ein Spiel war“ so schön, dass man über die deutlichen sprachlichen Fehler (Setzen, 6) hinwegsehen kann. 'Out of context' ist eine wirkliche Perle geworden, eine schöne Überraschung und der perfekte Soundtrack zur Jahreszeit: Ich genieße die Sonne des Frühlings in den letzten Tagen noch ein Stück mehr, denn das Album unterstützt mein Wohlbefinden.