Das Projekt Maska Genetic des Moskauer Musikers Amon Radek trat erstmals mit zwei Beiträgen zum "Kosmoloko"-Sampler (2004) in Erscheinung. Waren diese beiden Tracks noch von harschen Einschüben geprägt, zeigte sich auf der 7"-Vinyl-EP "Quarantine" von 2006 schon eine viel subtilere, finsterere Richtung. Völlig überraschend kam nun, 5 Jahre später, das erste Album von Maska Genetik heraus. Doch die anfängliche Freude über "Strada" wird gleich von einem äußerst bitteren Wermutstropfen getrübt. Denn "Strada" stellt zwar Amon Radeks Debütalbum als Maska Genetik dar, doch die Tracks entstanden bereits zwischen 2002 und 2005. Und das Schlimmste: Maska Genetik gibt es nicht mehr.

Amon Radek ist an den eigenen hohen Ansprüchen und seinem Verhältnis zum Leben verzweifelt ("Ich habe die Grenzen meiner Kräfte erreicht")… und hat Maska Genetik hinter sich gelassen. Das Label Galakthorrö zögerte die Veröffentlichung des Albums in der Erwartung oder Hoffnung hinaus, dass Amon Radek wieder zurück kehren würde, was allerdings bis heute nicht geschah. So ist "Strada" sehr wahrscheinlich ein posthumes Debüt und Nachlass eines erstaunlichen Projektes. Wie schon am Anfang dieser Review angedeutet, wurden die Songs von Maska Genetik mit der Zeit immer dunkler und trauriger. Das fällt auch bei "Strada" auf. Nach dem pulsierenden und elektrostatisch dröhnenden Intro kommt mit "Ernste Stunde" ein derart verzweifelnder Song, dass es einem das Herz zerreißt. Die Vertonung von Rilkes gleichnamigem Gedicht birgt eine derartige Seelennot, dass die mit Verzweiflung und Unrast vorgetragenen Strophen pure Tragik ausdrücken. Dazu ein Schlagzeug-Beat, wie man ihn von Anfang der 80er kennt, etwa von alten Cure-Songs, was dem Lied noch mehr Melancholie verleiht. Dieser Song wird sicherlich einschlagen wie eine Bombe und trägt dabei so viel Trauer in sich.

Das folgende "Melanoma" ist dagegen trockener, mit Synthesizer-Leiermusik, ganz in typischer Galakthorrö-Manier. Maska Genetik wurde maßgeblich von November Növelet beeinflusst, was man einzelnen Songs durchaus anmerkt. Jedoch war dieser Einfluss auf der "Quarantine"-EP wesentlich stärker zu vernehmen, was wohl auch am Einsatz einer weiblichen Stimme lag. Auf "Stada" mutiert der Maska-Genetik-Kosmos viel stärker hin zu einem autarken Kurs, der zwar immer noch ganz nach Galakthorrö klingt, aber viele Seitwärtssprünge enthält, die immer wieder überraschen. So besteht "New Perfect World" nur aus ein paar, immer wieder wiederholten Tönen und Sprechgesang. Erst gegen Ende mutiert der Song, ein Schrei zerreißt die scheinbare Idylle, bedrohliches Brummen löst die melancholisch-fidelen Töne ab. Gar gruselig wird es bei "Black Spring", das durch die verzerrte und schwer verständliche Stimme und das Rauschen und Brummen sowie die sporadisch eingestreuten Schreie wie die Vertonung eines Albtraums klingt.

Ein sonniges Gemüt kann man Amon Radek nun wirklich nicht attestieren, aber wer hätte das auch erwartet? Selbst ein Song wie "Home", dessen Titel etwas anderes erwarten lassen könnte, klingt nach Schmerz. Wie ein Zeichen für das Ende von Maska Genetik lauert am Schluss des Albums das seltsame "Bridge To Nowhere", in dem Radek fast singt, die Melodie seltsam leiert und der Song in schmerzhaftem Rauschen entschwindet. Für einen Außenstehenden ist es schwer vorstellbar, wie der Musiker mit diesem Werk nicht zufrieden sein konnte. Wesentlich nachvollziehbarer ist dagegen Amon Radeks Verhältnis zum Leben und zur Welt. Für ihn anscheinend unvereinbare Gegensätze. Andererseits waren es in der Vergangenheit oft die vom Leben schwer gebeutelten Künstler, die Werke von nachhaltiger Intensität schufen.

Trotzdem bleibt die Hoffnung, dass Maska Genetik noch einmal von Amon Radek reanimiert wird. Vielleicht bringt ihn der gewiss nicht ausbleibende Erfolg dieses Albums wieder zurück in die Galakthorrö-Familie, denn diese Musik scheint seine Bestimmung zu sein. Davon ist man nach dem Hören von "Strada" überzeugt.