Marina Siertis? Wer ist Marina Siertis??? Was nach einer ältlichen Schlagerchanteuse klingt, ist in Wirklichkeit ein schwedischer Männerverein, bestehend aus Martin Löfgren (Vocals, Gitarre), André Öberg (Synthesizer) und Martin Fridegren (Leadgitarre). Hervorgegangen aus den Trümmern einer Gruppe namens Innocencia taten sich 1997 Martin Löfgren, André Öberg und Anders Larsson (programming) zunächst noch als „Marina Sirtis“ zusammen und veröffentlichten 2000 in Eigenregie ihre erste EP „View From An Intergalactic Star” - hier haben wir übrigens eine Erklärung des Namens, denn Marina Sirtis ist die Darstellerin der Deanna Troy in „Rauschiff Enterprise-The Next Generation“. 2002 folgte das erste Album „Delay And Depression“, bevor 2003 statt Anders Larsson Gitarrist Martin Fridegren zur Formation stieß. Nach mehreren Auftritten in Europa und den USA sowie diversen Samplerbeiträgen erschienen die Singles „Disease“ (2006) und „The Minister Is Dead“ (2007), welche sogar im schwedischen Radio gespielt wurden (was für die Aufgeschlossenheit der dortigen Stationen spricht), und jetzt, 2008, lausche ich fasziniert dem neuesten Longplayer „The Much Needed Second Cold War“. It was featured on primetime. We take interest in one life [...] Ignoring the death of a five year old kid (1) Der Albumtitel deutet"s bereits an. Marina Siertis legen den Finger auf aktuelle Wunden rund um unseren Globus. Während sich „The Minister Is Dead“ mit der Ermordung der schwedischen Außenministerin Anna Lindh im Jahre 2003 befaßt und diese einerseits in schmerzlichen Zusammenhang mit der gleichzeitigen Ermordung eines fünfjährigen Mädchens stellt, andererseits jedoch die Ausschlachtung des erstgenannten Ereignisss durch die Presse anprangert, legt das folgende „Horror Tin Can“ die Schrecken des Irakkrieges offen. I am running out of gas soon. In the desert heat that"s so cruel (2) Musikalisch bewegen sich Marina Siertis dabei in der Schnittmenge zwischen Synthiepop und Darkwave. „The Minister Is Dead“ als auch „Horror Tin Can“ legen zwar großes Gewicht auf die Gitarren, der Synthesizer setzt jedoch manchmal harmonische, oft verstörende Akzente. Ein Konzept, das sich durch viele Songs zieht, wenngleich sich auch einige rein synthetische Tracks auf dem Album finden, z.B. „Israeli "Security" Fence, ein nur 1 ½ minütiges Instrumental, dessen Titel für sich spricht, oder das noch kürzere „American Torture“. Auf den ersten Blick wie ein Schlaflied mit Spieluhr-Begleitung anmutend, wird hier der Friede stetig gebrochen, zuerst durch Zwischenrufe derzeitiger Krisenherde, später durch disharmonische Schläge. Trotz seiner Kürze, einer der beeindruckendsten Titel der CD. We"re falling in love. I watch you fall (3) Doch nicht nur die aktuelle Weltpolitik ist Thema. Auch einige Einsichten in die Tiefen der menschlichen Seele werden gewährt. So im zweiteiligen „Suicide“, dessen erste (lt. Titel zweite) Hälfte ein trauriges, von flächigen Keyboards begleitetes Abschliedslied darstellt, während der zweite Teil das Tempo anzieht und Rhythmik bzw. Bass betont. Im Gegensatz dazu lebt der letzte Track „I"ll Begin“ ganz von den Gitarren, die den Song zu einer wavigen Hymne werden lassen. Next year is just another year. Of the much needed second cold war (4) Der Titelsong besitzt Ohrwurmcharakter. Anfangs noch zurückhaltend instrumentiert, mit tribalartigen Percussions, weiß der Refrain mit poppiger Attitüde zu gefallen. „Cold Anger“ könnte mit seinem schnellen Tempo gar für die Tanzfläche geeignet sein und die erste Single „Disease“ trägt ebenfalls deutliche Synthpop-Züge. Bei aller Vielfalt, die sich auf der Scheibe befindet, gibt es dennoch zwei verbindende Elemente. Zum einen der durchweg melancholische Grundton zum anderen die klare, gefühlvolle Stimme Martin Löfgren's, welche den Hörer vom ersten Takt an gefangen nimmt und nicht mehr losläßt. I"m close to perfection (5) Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Sweden – 6 points! ----------------------------------------------------- 1 aus „The Minister Is Dead“ 2 aus „Horror Tin Can“ 3 aus „Suicide 2“ 4 aus „The Much Needed Second Cold War“ 5 aus „Suicide“