Während Electro, Future Pop, Gothic Metal, Goth-Pop und vermeintliche Underground-Stars wie Marilyn Manson oder HIM mit ihrem platten wie plakativen und offensiven Auftreten die Tanzflächen und Herzen der Schwarzkittel weit über die Grenzen Deutschlands hinaus im Sturm erobert haben, vegetiert eines der Ur-Gesteine der schwarzen Subkultur, der Death Rock, etwas lustlos vor sich hin und pflegt dennoch in dunklen Tiefen mit einer ungeheuren Leidenschaft die Treue der womöglich letzten, wahren schwarzen Seelen. Und die könnten sich, von wenigen Ausnahmen einmal abgesehen, inzwischen auch auf den Ü30-Parties treffen ... Vorbei sind die gloomy und doomy 80ies, in denen – vornehmlich in der US-amerikanischen Death-Rock Hochburg Los Angeles – Gruppen wie Mephisto Waltz und Christian Death kleine miefige Clubs mit unglaublich illustren Leuten füllten und mit ihrem rohen, morbiden Gitarren-Rock zum Kochen brachten. Auch in Deutschland tauchten Ende der 80er einige Bands auf, die Goth-Rock der etwas härteren und raueren Sorte spielten – unter anderem die wohl mit älteste, agierende Death-Rock Band dieses Landes „Madre del Vizio“, die ihren bisher „größten Hit“ bereits in ihrer Frühphase mit „Amore, Fede, Speranza“ hatte. Wie kaum eine andere deutsche Band, spiegelt die mittlerweile zum Trio geschrumpfte Gruppe aus Kassel den Geist der frühen amerikanischen Death-Rock-Szene wieder – trotz des außergewöhnlichen und damit unverkennbaren italienischen Gesangs ihres Sängers Fulvio, der passender zum düsteren „schrammeligen“, flirrenden Gitarrensound mit versiertem Schlagzeug-Spiel nicht sein könnte. Madre del Vizio lassen einem – und das, ohne jemals zu kopieren – mit ihrem kompromisslosen und ehrlichen musikalischen Inszenierungen voller Leiden und Verzweiflung frischen Wind aus der Gruft, aber auch einen schweren Hauch von Nostalgie um die Nase wehen. Waren alte Alben, allen voran das Debüt „Dio, Dio, Dio!“ noch schwer konsumierbar und etwas sperrig, überrascht „Antonomasia“ nach einer Vielzahl weiterer eigenwilliger Releases mit 11 treibenden, straighten und emotionsgeladenen Death Rock Perlen – allein für ihre kraftvollen, endlos scheinenden Gitarrenriffs muss man die Band einfach lieben! Songs wie „Dr. Phibes“, „Sogni Dimenti Cati“, “Il Tempo Muovo”, „Ufo“ oder das genial atmosphärische “Invisibile” sind wie geschaffen für die Tanzflächen und zum Schwelgen in Erinnerungen. Bemerkenswert bzw. eigentlich unerhört (!) ist dabei, dass die Songs für dieses Album schon vor sechs Jahren geschrieben wurden und bereits 2002/2003 zur Verewigung auf CD gedacht waren! Line-Up- und massive Label-Probleme sowie ein (erneuter) Namenswechsel verzögerten das Release erheblich und brachten die Arbeit damals mehr oder weniger zum Stillstand. Beim alten, ersten Label Apollyon fand die Band dann wieder eine neue Heimat. Umso mehr ist „Antonomasia“ nun ein tolles, gelungenes und hoffentlich groß einschlagendes Comeback für die rastlosen Rocker. Madre del Vizio sind zurück und bringen all den Hellboys and –girls, Ghouls, Zombies, Batcavern und Horrorfreaks unter uns finstere Leckerbissen der alten Schule mit! Zum Freuen für die „new school“ Sammler: Die CD kommt im Digipack mit ausfaltbarem, vollfarbigen Booklet und kultig-trashigem Artwort. Schade nur: Musik wie diese kann man in den Playlists der heutigen Clublandschaft mit der Lupe suchen – vielleicht tut hier ja das offensichtliche Revival von Batcave, Trash- und Horror-Punk sein Gutes und lässt die DJs dieses Landes auch solch neue wie alte Perlen wieder aus der „CD-Gruft“ ziehen. Zu wünschen wäre es den Bands, allen voran eben Madre del Vizio, denen nach so vielen kreativen Schaffensjahren der Durchbruch bisher leider (noch) versagt blieb.