Atompilze & verschmierter Lippenstift sind ja gewissermaßen die Grundzutaten des Glams der Grande Nation seit den Sixties. In den Eighties kamen neben kinky neonfarbenem Trash dann noch Raketen hinzu & eine massenkompatible Schnulze namens La Boum löste die klassisch schönen Schattenbilder des Film noir ab. Okay, Paris stand auch damals schon für berühmte Couturies, welche allesamt bekannte Stilmittel längst vergangener Trends zu einem neuen Look verwursteten, & für glanzvolle Modegazetten a la Dépêche Mode... Damit wäre im Wesentlichen schon das Coverartwork des in Paris lebenden amerikanischen Pixelartisten Manning Leonard Krull & die allumfassende Strategie, mit stilistischen Retro-Party-Hörkonventionen zu brechen, des nunmehr vierten Tonträgers von Lycosia erklärt. Also, genau der richtige Soundtrackum um die Wehwehchen einer geplagten Mädchen-Seele am Wochenende in ausgelassenen Party-Nächten zu vergessen. Feiern ohne Ende & dann irgendwie heim. Wie & mit wem man nach Haus kommen wird, weiß man manchmal noch nicht, manchmal will man es auch gar nicht wissen & der Lippenstift ist sicher mit das erste, woran kleine Ladys sehnsüchtig denken, wenn es ums aufstylen geht... bei "Last Splash" fällt mir zuerst die beste Synthie-Band aus Basildon ein. Sänger Christi Scythe versucht hier auch nicht wirklich sein Vorbild Dave Gahan mittels Phaser zu verleugnen & in "All These Worlds" verliert er sich mit Gespür für wunderschönen Wave-Rock. "Follow Me" begeistert daraufhin mit rockig-popig funkelnden Glamour & man stellt sich genüsslich auf säuselnd untermalende Elektronika sowie old-fashioned Drum-Patterns ein. Jedoch hat die "Hard Dressed Bitch" von heute nichts mehr mit einer halbwegs braven Sophie Marceau gemein & es knüppeln einem now silly Punksounds, schön kräftig & dreckig produziert, aus Richtung Kleiderschrank entgegen. Wofür der ganze Stylingstress gut ist? Vielleicht um beim catchy "Leftover" endlich einen ewigen Stammplatz im Herzen seines Lieblingsrockers zu erhalten... Jedoch der strassenkampferprobte junge Pariser will es lecker, lüstern & fragil im Sinne eines Trend Reznor. Die Gitarren fauchen nun zu "Kiss Me Hard" etwas garstiger & der Verzerrer verleiht der Stimme einen extra kräftigen Schub Testosteron. Jetzt wird auch nicht mehr lang gefackelt. "Say Fuck Yeah!" punsht einmal Richtung Hölle & zurück, ganz im Gusto eines Sascha Konietzko. Die anschließend notwendige Kuschelphase erfüllt "Light Years" mit prächtigen Vers-Chorus-Strukturen & etwas Anleihen bei Ultravox. Jetzt bloß noch nicht schlappmachen & einen tiefen Schluck aus der Pulle neben dem Chaiselong nehmen. Aber wahrscheinlich bedeutet "Ymnae Draka" irgend etwas wie französischer Wodka macht noch blinder als russischer, jedoch geht dies in einem letzten Aufbäumen mit sattem Industrial-Rock-Geprügel total unter. Die fällige Ernüchterung folgt mit der klaren Ansage "Don't Say A Word" als Dancefloorfiller! Ein unbenannter minimaler Hiddentrack mit etwas belanglosen Geplänkel dient als verlegener Abschied & das wars dann aber auch schon wieder. Merci beaucoup! Die kleine Lady muss jetzt zusehen wie sie ihren Kater los wird & die Zeit zur nächsten Party überbrückt... Lycosia hat jedoch inzwischen das viel größere Problem! Unter welcher Sparte & auf welcher Bühne will man diesen sogenannten "Original Glam-Goth-Deluxe from Paris" zum nächsten WGT denn eigentlich den deutschen Fräuleins präsentieren? Die Einladung nach Leipzig steht jedenfalls schon...