Muss man sich eigentlich schuldig fühlen, wenn man eine Band ohne sie näher betrachtet zu haben, bereits nach ersten Annäherungsversuchen in eine bestimmte Ecke steckt, sie in eine quietschbunte Kiste verpackt und Glitter-Herzen draufmalt? Naja, das hängt wohl davon ab inwiefern sich das Gebotene aus dem Reich der Stereotype katapultieren lässt ... oder ob man auf das Gefährt der Vorurteile aufspringt. Lovex sind wohl eine der Bands, bei denen die Meinung bezüglich diesem Themas auseinander driften dürften. Doch auf ihrem zweiten Album überraschen die Finnen sogar optisch mit einem Artwork was sehr an den Kultfilm „Sin City“ erinnern lässt (an dieser Stelle muss ich auch auf die entsprechend absolut niedliche Homepage verweisen). Doch hören wir uns das Ganze erst einmal an: Ungewohnt pompös geht das Sextett mit ihrem Opener „If She’s Near“ an den Start. Wohl untypisch für finnische „Glamrocker“ kann man sich hier den Vergleich zu harten Metalbands nicht verkneifen. Ein sehr gelungener Auftakt wird somit geboten. Doch mit Einsetzen der weichen Stimme des Sängers Theon (man hört die metrosexuelle Gestalt förmlich heraus) werden wir wieder auf den Boden der Tatsachen geworfen – nix mit Metal, dafür träumerisch verspielter Glitzer-Rock der Sparte Him und The Rasmus. Weiter geht’s mit dem Hypothesen Testen... Beim zweiten Song „Turn“ bedient man sich leider allen Klischees – Lovex können hiermit weder beeindrucken noch Vorurteile beseitigen, wohl aber Mädchenherzen betören. Doch um es deutlich zu sagen, mich würde es nicht wundern, wenn unser neuer Nationalheld Thomas Godoj (jaja, von „Deutschland sucht den Superstar“ ist die Rede) diesen Song nächste Woche auf großen Bühnen trällern würde. Dieser Punkt geht also auch nicht an die Finnen. Doch was haben wir da? Der nächste Song „Take A Shot“ besticht sofort mit seinem überaus eingängigen Refrain – doch beim näheren Hinhören, wird auch klar warum: Die Melodie des Kehrreims ist zweifelsfrei eines bekannten Ohrwurms der 80er entlehnt – upps!!! Kämpfen wir uns mal weiter durch die Fängen der Klischees... Mit dem fünften Stück auf der Scheibe „Writings On The Wall“ sind wir endlich am Wendepunkt angekommen. Die Jungs scheinen ziemlich clever zu sein. Sandbagging wird hier betrieben – meint, dass zu Beginn die 08-15 Nummern vom Stapel gelassen werden um die Erwartungen zu senken, um dann wie ein Senkrechtstarter mit diesem Werk aufzutrumpfen! Tolle Taktik! Dieses Lied erinnert so gar nicht mehr an die lieben Vorzeigeschwiegersöhne von neben an. Geboten wird eine emotionsgeladen, energisch und vorantreibende kleine Rock-Hymne, die nach diesem seichtem Vorspiel restlos vom Hocker haut. 10 Punkte gibt’s dafür...so sind wir gespannt ob die Jungs dieses Level halten können. Im weiteren Verlauf kann man die Frage mit ja beantworten. Auf dem Programm stehen weitere krachig, peitschende Nummern voller Power und Antriebskraft sowie geile Gitarreneinlagen (Anspieltipp: „Ordinary Day“), welche man den süßen Jungs fast nicht zugetraut hätte. Wer auf heiße Gitarrenriffs steht, kommt hier ziemlich auf seine Kosten. Um es kurz zu machen: Die CD wird fortgesetzt mit harten, melodiösen und fesselnden Stücken, die es zum Finale schaffen, Lovex aus der Him-Ecke zu befreien. Auffällige Einbrüche sind nicht zu nennen. Fazit: Geschafft!!! Die Welt der Stereotype liegt hinter uns. Wir befreien die Jungs wieder aus ihrer bunten Herzel-Kiste und verwerfen unsere Hypothesen. Mit dieser Platte dürften die Finnen ihr Teenie-Glam-Image (zumindest teilweise) bereinigt haben und eigene Wege in der finnischen Rock-Welt beschreiten...have a nice journey!!! Anmerken sollte man allerdings, dass diejenigen, die mit Genre-Größen wie HIM, Negative und co. überhaupt nichts anzufangen wissen, dennoch von einem Kauf absehen sollten, da auch Lovex keine vollkommen neue Stilrichtung darstellen. Doch für alle anderen heißt es: Ran an den Speck!!!