Lotus Thief sind zurück und setzen auf ihrem dritten Album ihren Streifzug durch die Antike fort. Auf dem Debüt beschäftigten sich die inzwischen vier Musiker aus San Fransico mit einem Werk des römischen Dichters Lucretius, auf dem Folgewerk streifte man durch Texte aus dem alten Ägypten, Homer und Deutschland. Und heute? Auf dem dritten Album wendete man sich der 'Orestie' des Dichters Aischylos zu, der einzigen erhaltenen Trilogie der griechischen Tragödien von 458 v. Chr. So sagt es zumindest das Internet – ich als bekennender Kulturbanause kann wenig Senf dazu geben und belasse es bei einer Beleuchtung der musikalischen Inhalte.

Im aktuellen Kanon der Prophecy Veröffentlichungen stimmig platziert stehen die Kalifornier wieder für eine atmosphärische Verschmelzung unterschiedlichster Genres. Doom Metal, Rock, Post Rock, ein klein wenig Post Black Metal und Ambient verwoben zu einem dichten, anspruchsvollen musikalischen Reigen – es gilt erneut die Pflicht, voll konzentiert zu lauschen. Vier ausladende Songs, das kürzeste knapp unter der 6 min Marke, drei kurze, instrumentale Zwischenstücke und ein sanftes Outro gilt es zu erfahren und mir gelingt der Einstieg in die komplexen Strukturen auf vorliegendem Album deutlich besser als beim direkten Vorgänger. Zum einen bin ich dankbar für die klare Strukturierung in musikalisch ausladende Hauptsongs und kurze, atmosphärische Ambient-Pausen. Die vier Songs sind dicht strukturiert, abwechslungsreich aber immer melodisch und wenn Ruhe einkehrt weiß man als Hörer sicher, dass man gerade eines der Zwischenstücke lauscht. Zum anderen sind es aber die Lieder selbst, die zwar an einigen Stellen den Härtegrad nocht etwas nach oben schrauben, und dennoch kompakt und in sich schlüssig wirken. Für mich steht hier der Post Rock im Vordergrund, sanfter Frauengesang, ausufernde Rifflandschaften mit gelegentlichen doomigen Einschüben und sehr kurzen Passagen mit Screams und flaooterem Drumming. Auf Albumlänge agiert das Quartett anspruchsvoll, spannend und stimmig – 'Oresteia' wirkt wie aus einem Guss und wenn ich den Kopf frei bekomme um mich voll auf die knapp 40 min einzustellen, dann empfinde ich das Album als eines der Stärksten aus dem Hause Prophecy im letzten Jahr.

Durch die altmodisch wirkenden Riffs und den angenehm rauen, weiblichen Gesang ist das Album auch für Freunde klassischen Rocks eine interessante Angelegenheit, gleichfalls und natürlich für Fans postrockiger Klanglandschaften und atmosphärisch-anspruchsvoller Kost. Black Metaller sollten die Erwähnung ihres Genres mit Vorsicht lesen, denn bis auf wenige Screams haben Lotus Thief für sie wenig zu bieten.

Man sollte sicherlich ein Ohr wagen – mich haben Lotus Thief überzeugt, deutlich mehr als mit den beiden Vorgängern und ich genieße das Album bereits seit einiger Zeit, obschon es nun wirklich nicht meinen Hörgewohnheiten entspricht. All diejenigen, die zwischen klassischen, progressiven und Post Rock pendeln und Lust haben auf ein tolles Werk und in deren Vitrine noch Platz ist für ein wunderbar gestaltetes Cover Artwork müssen einfach reinhören – aber lasst euch Zeit mit dem Probelauschen.

 

Lotus Thief

Oresteia

 

10.01.2020

prophecy productions

 

https://lotusthief.bandcamp.com/album/oresteia

 

01. Agamemnon
02. Banishment
03. Libation bearers
04. Woe
05. The furies
06. Reverence
07. Sister in silence
08. The kindly ones