Rettung naht. Wenn man das Radio heutzutage anmacht, bekommt man es mit der Angst zu tun. Angst um die (zweit)schönste Sache der Welt: die Musik. Die Geier ziehen schon ihre Kreise und die Totengräber machen sich an die Arbeit. Im braven Drei-Minuten-Einheitsbrei bekommt man einen glatt gebügelten blutleeren Geräuschcocktail, der als Musik und als die große Neuentdeckung angepriesen wird. Lasst uns doch alle die Radios dieser Welt an die Wand werfen – ja, die Ärzte hatten damals wirklich Recht. Doch es scheint Hoffnung zu geben. Denn es gibt noch junge Menschen, die Musik jenseits des Mainstreams, jenseits des Einheitsbreis (der auch schon den Underground befallen hat) erschaffen. Long Distance Calling aus dem Großraum Münster sind solch seltene Spezis. Mit „Avoid The Light“ zeigen sie erneut, dass man für großartige Musik nicht mal einen Sänger benötigt. Intensive Rockmusik, gepaart mit Ambient-artiger Atmosphäre. Melancholisch und aufmunternd zugleich entfachen sie auf ihrem zweiten Album eine krude Mischung aus Prog Rock und Psychedelic. Schon der Opener „Apparations“ klingt wie aus einem Guss. Entspannt euch, ihr müsst nicht nach drei Minuten wieder aufwachen. Dieser Rausch zieht sich durch insgesamt 55 Minuten und lässt einem auch danach nicht wieder los. Weit und erhaben klingt „359°“ – man möchte sich die Flügel überziehen und das Irdische hinter sich lassen. Über der Menschheit fliegen, über Berge, über Ozeane hinein ins All und weit darüber hinaus. Aber auch auf „Avoid The Light“ hat sich wieder ein Gastsänger eingeschlichen. War es auf dem Debütalbum noch Peter Dolving von The Haunted, dürfen wir nun in den Genuss von Jonas Renkse’s (Katatonia) außergewöhnlicher Stimme kommen – das somit „The Nearing Grave“ zum großen Highlight der Scheibe wird, ist fast selbstverständlich. Aber die anderen Songs (wobei keiner die Sieben-Minuten-Marke unterschreitet) zeigen, dass es eben keine Stimme braucht, um ergreifende und zutiefst beeindruckende Musik zu machen. Lehnt euch zurück, schließt die Augen und lasst euch tief Fallen. „Avoid The Light“ fängt euch sicher auf.