So, wie fange ich diese Zeilen wohl am besten an?

Ich erhielt einen Download und die Packungsbeilagen für vorliegendes Album, ‚Burn‘ und während die Lieder geladen wurden (Internet- und Zukunftsland Deutschland – Wo Geduld gezwungenermaßen eine echte Tugend ist) las ich schon einmal die Zeilen. Lisa Gerrard, die großartige australische Sängerin mit unverkennbarer Stimme und Gesangsstil und bewegter Vergangenheit bei Dead can dance traf 2012 bei einer Tour mit ebenjenem geschichtsträchtigem Projekt auf Jules Maxwell. Der irische Theaterkomponist spielte auf der damaligen Welttournee von Dead can dance Keyboards und bereits im Vorfeld hatten Lisa und er sich angefreundet und zusammen einen Song geschrieben, der während der Tour die Zugabe darstellte. Nun, einige Jahre später, folgt ein komplettes Album. Mmmmh: eine großartige Sängerin, ein Theaterkomponist, neue Inspiration aus neuer Freundschaft – das kann doch nur gut gehen, oder? Die Antwort ist leider ‚oder‘.

Das letzte Album von Dead can dance war nicht mein Fall, „Dionysus“ war in meinen Ohren vertonte Ideenlosigkeit und Lisa Gerrard schien mehr als Hintergrundsängerin aufzutauchen. Ganz anders die Kooperation mit den Bulgarian Voices – hier konnte sie als wundervoller Gegenpart zu den folkloristischen Chören glänzen. Auch ‚Burn‘ hätte das Potenzial, mich zu ergreifen: Die Melodien erinnern an eine Mischung aus Ethnopop der 90er und frühe Vangelis, die Stimmung wirkt zumindest auf mich, als würden die Musiker unter den Palmen einer Oase versuchen, den Tag und die brennende Wüstensonne zu überstehen. Dazu kommt das wundervolle Coverartwork. Was kann da nur schiefgehen, müssen doch diese super Voraussetzungen von zwei erfahrenen Musikern umgesetzt werden. Und da liegt der Pudel im Feld, oder so: Ich kenne Jules Maxwell nicht, aber die Musik mag soweit in Ordnung sein, etwas zu lieb, die Drums etwas unbeeindruckend programmiert, aber warum huldigt man nicht nur in der Stimmung alten Vangelis, sondern nutzt auch einen Sound, der nach billigster Konserve klingt. Wer sich noch an Restaurantbesuche vor Corona erinnert, wird sie sicherlich noch kennen: Vor allem in asiatischen Lokalen liefen oft CDs mit instrumentalen Covern großer Pophits, gespielt auf künstlichst klingenden Keyboards – und genau danach klingt auch ‚Burn‘. Warum nur? Soll das so? Mir natürlichen Instrumenten hätte man einen wundervollen Gegenakzent zum Gesang der Grand Dame…. Ach, wo wir bei Thema sind: Lisa Gerrards Leistungsdemonstration ist auf diesem Album überschaubar. Ja, man erkennt sie wohl noch, aber hier klingt es eher, als würde sie sich ein wenig einsingen, bevor es später richtig los geht. Man weiß ja, was sie kann, man weiß, wie intensiv die Erfahrung sein kann, wenn Lisa Gerrard wirklich loslegt und inbrünstig singt. Und hier: Nett. Einfach nur nett. Unbesonders. Was ist da schief gelaufen?

Es gibt Lieder, die ich wirklich heiß empfehle: „Aldavyeem (a time to dance)“ und „Orion (the weary huntsman)“ sind wirklich wundervolle Stücke. Sie gefallen mir aber nicht, weil da ein fähiger Komponist und eine Kultsängerin arbeiteten. Sie gefallen mir vielmehr, weil sie trotz des etwas lieblosen Einsatzes ebenjener beiden strahlen. Daneben ist auch der Opener eine schöne Angelegenheit. Die restlichen vier Stücke sehe ich als angenehme Fahrstuhlmusik oder ideal geeignet für einen Restaurantbesuch – und viel vernichtender kann ich wohl kaum urteilen als Fan von Frau Gerrard. Erstaunlich enttäuschend.

 

Lisa Gerrard & Jules Maxwell

Burn

 

07.05.2021

Atlantic Curve

 

https://www.lisagerrard.com/

 

01. Heleali (the sea will rise)
02. Noyalain (burn)
03. Deshta (forever)
04. Aldavyeem (a time to dance)
05. Orion (the weary huntsman)
06. Keson (until my strength returns)
07. Do so yol (gather the wind)