Zuallererst : Ich hatte keine Ahnung, welche Musikrichtung mich erwartet aber bei diesem Namem mußte ich die CD einfach haben. Lee Harvey & The Oswalds präsentieren ihr zweites Album und es bleibt nur die Mitteilung : „Still confused, but on a higher level“. Großartig, vor allem im Zusammenhang mit dem Cover, auf dem ein gewöhnlicher Neandertalerstamm verdutzt auf ein am Boden liegendes Glotzophonium starrt. Also los geht die Sause – wie auch immer sie klingen mag. Und nach dem ersten Durchlauf sind mir zwei Dinge klar : erstens werde ich meinem Vater (den alten Rock-Fan) die Scheibe an Herz legen und zweitens brauche ich noch mindestens zwei Durchläufe um mich darauf einzulassen .... So, geschafft : es ist im groben eher positiv klingender Prog-Blues-Jazz-Funk-Death-Rock der zwischen altertümlichen 70er Charm, metalligen Wut-Parts und modernem Klang wandert. Florian Bätz (Gitarre; Songwriting), Christoph Mühlbauer (Schlagzeug), Frank Peters (Tenor Saxophon; Percussion), Roman Gesenhues (Alt Saxophon; Harp), Manuel Leupold (Gesang), Thomas Czogalla (Orgel; Synthesizer), Florian Wallisch (Bass) und Ralf Müller (Trompete) – so liest sich das Line-Up und diese Zusammensetzung wirkt genauso abwechslungsreich (und auch leicht wirr) wir die Musik selber. Die einzelnen Lieder sind nicht gerade dem Drei-Akkord-Stil verpflichtet, immer wieder überfallen den Hörer neue und unerwartete Wendungen. Die gesamte Zeit über harmonieren die Instrumente perfekt miteinander, alles ist tight eingespielt und dadurch fallen die Kompositionen nicht auseinander. Der Gesang ist durchaus gewöhnungsbedürftig, wirkt etwas schwach auf der Brust und irgendwie kindlich trotzig. Zumindest an den meisten Stellen, denn genau wie die Melodien variieren auch die Gesangsstile häufig. Ab und an werden sogar ein paar Growls eingeflochten (der Death-Teil meiner Musikbeschreibung). Meist ist es aber ein funkiger Gesangstil der durchaus noch Schwächen aufweist – das fällt besonders deswegen auf, weil die restlichen Musiker auf einem höheren Level operieren. Alles pendelt immer wieder zwischen vielen Stieln : harte Gitarrenparts, die in den Momenten, in denen normalerweise richtig losgedonnert wird, kippen und in einen experimentellen Bläserpart umschwenken. Diesem folgt mitunter ein poppiger Moment, plötzliches Growlen und eine bluesige Note, die zum faden einläd. Das Problem ist nur, daß der Funke nicht so richtig überspringen will. Das ist zwar bei dieser Musikrichtung äußerst schwer zu schaffen, aber die Lieder dieser CD schaffen es einfach nicht, Gefühle zu erzeugen. Der Hörer bekommt viele gute, interessante und nostalgische Parts präsentiert, die immerwieder durcheinandergemischt auf ihn losgelassen werden – wahren Fans dieser Musik wird das gefallen, Otto-Normal-Ohr findet das aber zu befremdend und anstrengend. Dem Vater schenken und mit ihm ein Konzert besuchen – das kann ich dem Leser empfehlen, denn die Konzerte sollen wie auch die Musik eigen und überraschend anders sein. Vor dem Verpacken (zum Geschenk) aber das wirklich tolle Cover genießen. Ich persönlich verbleibe „still confused, but (not) on a higher level“.