Nach 4jährigem Landgang stechen die Musiker von Leaves Eyes nun wieder von Ludwigsburg aus in See, um mit „Njord“ ein weiteres Mal von Mythen und Sagen der Nordmänner zu vertonen. Diesmal geht ihre Gothic-Metal-Route über Irland, England, Skandinavien und schließlich Frankreich der Jahre 800 bis 1200 n. Chr. und das mitgenommene Handwerkszeug ist im Kern dem der „Vinland Saga“ sehr ähnlich, wenn auch üppiger. Weiterhin dreht sich alles um Frontblondmähne und Norwegenimport Liv Kristine, die mit ihrer zerbrechlichen Engelsstimme auf Englisch, Altenglisch, Norwegisch. Französisch, Mittelhochdeutsch, Isländisch, Gälisch und in einer von ihr entwickelten Lautsprache trällert. Dabei tendiert sie immer mehr in Richtung opernhafter Sphären und seit dem Vorgänger hat sich ihre Stimme noch mal verbessert. Ab und an grölt Ehemann Alexander Krull wie zu besten Atrocity-Zeiten vollkommen neben der Spur (am denk- und fragwürdigsten in „My destiny“), glücklicherweise kommen die meisten Songs ohne seine Gesangs“leistung“ aus – Liv Kristin macht ihre Sache aber definitiv auch so gut, dass männlicher Gesang einfach unnötig und vor allem in diesem Musikgenre viel zu verbraucht ist. Ganz niedermachen will man Herrn Krull aber nicht, denn bei der Produktion wurde ganze Arbeit geleistet: Die Gitarren drücken den Hörer ins Langboot, die musikalische Erweiterung durch einen Chor und das von Rage-Gitarrist Victor Smolski geführte Lingua-Mortis-Orchester ist absolut stimmig, nie zu sehr im Vordergrund und dadurch bereichernd und nicht erschlagend. Die Kompositionen sind auf „Njord“ genau so, wie es die Fangemeinde sich wünscht – mal an Nightwish erinnernd („Northbound“, „Take the devil in me“), mal eher radiotauglich („My destiny“) und immer mit den ganz eigenen Trademarks von Leaves Eyes (= Atrocity + Theatre of tragedy). Neben den unumgänglichen Gitarrensoli, Gesangsduellen zwischen Beauty und (diesmal echt) Beast und jeder Menge leicht überfrachteten Kisch finden sich natürlich auch eine Handvoll ruhiger Stücke wieder: Die sehr schön umgesetzte englische Volksweise „Scaborough fair“, das saustarke „Irish rain“ sowie das eher langweilige „Morgenland“. Insgesamt finden sich 12 (bzw. auf dem Digipack 14) Tracks wieder – und trotz der Fülle an Material kann man keine besonderen Tiefen feststellen. Fans der Band, der Vorgängerprojekte und der Musikrichtung allgemein sollten natürlich „Njord“ antesten. Die meisten werden genau das bekommen, was sie wollen. Wegen dem männlichen Gesang, der leichten Vorhersehbarkeit des Materials und der Tatsache, dass man die Trademarks des Genres „nur“ gut umgesetzt aber nichts Neues bieten kann gibt’s 4 Punkte. Mir stellt sich aber am Ende denoch die Frage, warum man sich die Mühe macht, eine CD in 8 zum Teil alten Sprachen aufzunehmen, die Zeit der Wikinger besingt, auf dem Cover Langboote, Raben und Schwerter zeigt und mit mystischem Sound und der Reise in eine Sagenwelt wirbt, wenn am Ende (mit Ausnahme des Traditionals) alles wie regulärer „Neuzeit“Gothic-Metal aus dem Radio klingt, der (bis auf zwei bis drei Töne am Anfang der Lieder) nicht eine Spur von altertümlichen Melodien oder Instrumenten aufweist. Das macht die Musik nicht schlechter, verwundert aber denoch irgendwie.