Ein einsamer Wald, darin ein seit Jahrhunderten vergessenes Haus – welches die Tücken der zivilisatorischen Entwicklung scheinbar mühelos getrotzt hat. Keine Spur weißt auf menschliche Existenz. Doch mit jedem Schritt näher, wandelt sich die Erscheinung. Es wird größer, mächtiger und droht den umliegenden Wald gar in sich aufzunehmen. Liebliche Töne dringen aus dem Inneren und plötzlich spür ich Leben – und Liebe. So schnell ich kann, renn ich durch das opulente Tor in das Innere. Ein großer leerer Saal empfängt mich, nur einen Blickpunkt in seiner Mitte. Ein schweres, schwarzes Klavier – davor eine Frau. Ich bin am Ziel: Leandra. Dort sitzt die schöne Weißrussin und lässt mich an ihrem Schicksal teilhaben. Elf tief berührende Stücke voller Anmut und Grazie, voller Hoffnung und Wehmut warten auf mich. Während mich „Noisy Awareness“ mit seiner monotonen Klaviermelodie erfolgreich hypnotisieren vermag, lädt „Lie To Me“ mit seinem zurückhaltenden Drum & Bass Rhythmen zum einsamen Tanz auf dem staubigen Dachboden ein. Es klingelt, ich erwache aus meinem Wachtraum – ein Gast durchschreitet das Tor, dass auf einmal mit wilden Grün besät ist und wie erwacht erscheint. Der unerwartete Besuch stellt sich als Sven Friedrich heraus. Langsamen Schrittes nähert er sich dem Klavier, begrüßt ohne einen Blick die einsame Klavierspielerin und präsentiert mir, mittlerweile auf einem prächtigen Balkone sitzend, ein träumerisches Duett. Nach wenigen Minuten schwebe ich vogelgleich über dem Saale, Leandra wieder allein, schmachtet drastisch und betörend zugleich „Coloured“ und „Naked Eyes“ ins leere Rund. Aus den Tiefen unter dem Haus ertönen dumpfe Geräusche, maschinenhaft und misanthropisch. Doch Leandra trotzt den lärmenden Begleitern und mit dem Wissen machtlos zu sein, singt sie trotzig und fratzenhaft dagegen an. Der Untergrund kommt zur Ruhe. Sie hat ihn gebändigt. Ich sinke zu Boden und will nicht aufstehen. „Angeldaemon“ rafft mich dahin, zieht mich magnetisch an. Zerbrechliche Klaviermelodien vermitteln Schmerz und Leid, doch allein sind sie nicht. Aufbrausend und energisch – dem Leben wieder einen Schritt näher, zaubern ihre Hände für wenige Sekunden Töne voller dramatischer Leidenschaftlichkeit. Meine Beine zittern, ich winde mich in eine dunkle Ecke und lausche den weiteren Ergüssen meiner Gastgeberin. Doch ich versteh sie nicht! „Tyberi Folla“ scheint weit weit weg, mit einer Sprache aus reinster Phantasie. Kann ich meinen Ohren denn noch trauen? Doch plötzlich etwas wie Hoffnung! „Son of Venus“ versprüht zarte Zuversicht, doch für wen? Engelsgleiche Wesen fliegen lautlos durch die Fenster, zücken ihre Geigen und vertreiben die letzten bösen Geister. Das Publikum klatscht, doch bewege ich mich nicht. Bin ich etwa doch nicht allein? Ich schaue mich hilflos um – nix. Auch von den Engeln mittlerweile keine Spur mehr. Während „Lullaby“ den vermeintlich letzten Schmerz ausstößt, dringen von außen gar bedrohliche Laute. Ich renne zum Fenster, dort wo vorher das Tor mir Eintritt gewährte – nun eine Wand aus Gitarren. Ist dies das Ende? Zu meinem Erstaunen kommen sie in friedlicher Absicht und begleiten mit druckvollen aber niemals erdrückenden Rhythmen die Schönheit des Moments. Und so schnell wie sie gekommen waren, sind sie auch schon wieder verschwunden. Leandra genießt die Ruhe und öffnet mit „Pi“ ihre Seele. Sie liebkost das Klavier und entzaubert ihm gar manch unbegreifbare Töne. Ihre Stimme scheint sich zu teilen – doch da! Offenbar blieben einige Gitarren zurück und stimmen ein, in die göttliche Unschuld. Das unvermeidliche „Leb wohl“ steht an – alles verstummt. Die Vögel unterbrechen ihren lieblichen Gesang, der Wind sein Flüstern. Leandra scheint allein auf ihrer Welt. Zusammen mit ihrem einzigen Begleiter, dem Klavier, verabschiedet sie mich, den stillen Zuhörer in die Außenwelt, vorbei am Tor zurück in die Wirklichkeit. Ich höre ihre Stimme noch, während ich mich langsam auf den Heimweg mache. Es zerreißt mich, ich muss zurück. Nur noch einmal, ihrer anmutende Gestalt, ihrer verführerischen Stimme ganz nah sein. Mein Herz zerspringt in tausend Teile – dort, wo eben noch die Erfüllung meiner Träume stand, das alte Haus, das Schloss der schönen Frau, die mich tief berührt und meine Erinnerung eingenommen hat, thront nun nur noch eine alte Statue....ich sinke zu Boden – alles nur ein Traum?