Wenn ich an Claus Larsen und Leæther Strip denke, dann mittlerweile mit gemischten Gefühlen. Ohne Frage gehören AE und das dazugehörige Nebenprojekt Klute zu meinen ewigen Favoriten neben F242, FLA, KMFDM oder NEP. Die Flut an neuen, meiner Meinung nach zum größten Teil unausgereiften, Veröffentlichungen macht mir aber zu schaffen. Mit „Retention No. 3“ bekommt nun das Werk eine neu gemasterte Neuauflage, mit dem AE den endgültigen Durchbruch in Europa und den USA geschafft hat. Und das war nicht selbstverständlich.

Electro war zwar erfolgreich, aber verzerrte Vocals eher selten. Die Frontpage trennte damals beim Album “Science For The Satanic Citizens“ die Bewertung in Musik (sehr positiv) und Gesang (sehr negativ) in Verbindung mit dem Urteil „Das Leben in Dänemark muss ein garstiges sein“. Was wie wir heute wissen, zumindest für Claus Larsen zutreffend war. Es fällt mir immer schwer, die Frage nach Lieblingsalben zu beantworten, denn meist ist es das Gesamtwerk, dass zählt und ohne „Official Version“ kein „Tyranny For You“ usw. „Solitary Confinement“ ist aber ohne Zweifel eines der prägenden Alben für mich gewesen. Noch heute bin ich beim Hören immer wieder restlos fasziniert, obwohl ich dank der vielen Durchläufe wirklich jede Zeile mitsingen kann. Dieses Album hat keine schwachen Songs, nur besonders sensationelle, die noch herausragen. Die Hits waren sicher „Strap Me Down“ und „Adrenalin Rush“ (ich habe allerdings bis heute nicht so ganz verstanden, warum die „Vegger Version“ dem Original den Rang abgelaufen hat). Zu unserer großen Freude musste man die DJs Anfang der Neunziger aber nicht lange bitten, um „I Am You Conscience“ oder das grandiose „Evil Speaks“ abfeiern zu können. Bis heute ist es eine absolute Ausnahme, dass bei einer Band quasi in jedem Song die Strophe oder die Bridge genauso eingängig und großartig sind, wie der Refrain.

„Retention No.3“ bietet darüber hinaus als Bonusmaterial Songs von der EP „Material“ (warum eigentlich nicht alle?). Das schnelle „Steal" und vor allem „Leaether Strip Part II“ gehören ebenfalls zum Pflichtprogramm aller Dänemark-Fans. Letzterer Song in der schleppenden, atmosphärischen Version, die für meinen Geschmack nicht an die harte, treibende „Re-Animated“ Version der „Aspects Of Aggression“ – Maxi rankommt (zu der es übrigens ein Video gibt. Es gab ja mal Musiksender, die auch solche Videos gespielt haben). Außerdem gibt es „Jantes Revenge“ und den „Psycho Strip Edit“ von „AntiUS“ zu hören, der musikalisch stark ist, allerdings ohne Gesang im Refrain auskommen muss. Beide Songs wurden „damals“ schon als Bonusmaterial deklariert. Wie schon auf den ersten beiden Teilen der „Retention“-Reihe gibt es dazu eine zweite CD, hier namens „Voluntary Confinement“, mit neu eingespielten Versionen. Los geht es aber mit einem ganz neuen Song, ebenfalls „Voluntary Coninement?“ genannt, der gar nicht verkehrt ist. Im Zusammenhang mit einer anderen Kritik habe ich schon einmal geschrieben, wie schwer es mir fällt, neue Versionen von Songs, die ich unzählige Male gehört habe, objektiv zu beurteilen. Das gilt auch hier. Einige Versionen sind ganz gut gelungen. „Crash Flight 232“ etwa, oder das mit neuen Samples/Vocalparts versehene „Adrenalin Rush“. „I Am Your Conscience“ hingegen ist eine Enttäuschung, „Croatia“ zwar etwas schneller, aber trotzdem fad. Und über die „Tekno-Pop“ Version von „Strap Me Down“ weigere ich mich Worte zu verlieren. Eine nette Idee ist die Kombination von „EvilSpeaks“ und „Fit For Flogging „ (auch von der „Aspects Of Aggression“). Im Vergleich zu den Originalen aber keine echte Alternative.

Das Originalalbum verdient die volle Punktzahl. Ohne Frage. Aber die Bonus-CD mit den Neuinterpretationen sorgt bei mir für leichte Verstimmung. Es ist wie mit den Live-Auftritten. Man sieht Claus Larsen die Freude an und auch die Dankbarkeit, dass immer noch so viele Leute zu seinen Shows kommen. Zudem freut man sich, dass es AE überhaupt wieder gibt. Auf der anderen Seite sind die Liveversionen zum größten Teil deutlich schwächer als die Originale und damit im Grunde überflüssig. Bei manchen Songs schafft es der Däne es leider auch alles Magische aus den Songs zu verbanden. Und so ist es auch mit „Voluntary Confinement“. Man spürt die Experimenttierfreude, dem Vergleich mit den Originalen halten die Songs aber einfach nicht stand. Das wäre grundsätzlich ja nicht schlimm, aber da „Retention No.3“ im Handel deutlich über zwanzig Euro kostet, ist es schon ein echter Wermutstropfen. Und darum gibt es Abzüge in der B-Note und am Ende weniger Punkte als es das Original verdient hätte.