Und wieder wird es Zeit, sich vor eine Elektrogröße zu verbeugen : Leæther Strip steht seit 20 Jahren für Elektro, Alben wie „Solitary Confinement“ und „Underneath the laughter“ werden zurecht als Klassiker bezeichnet und von Untätigkeit kann man bei Claus Larsen auch nach 20 Jahren nicht sprechen. So ganz richtig ist der Anlass zur Sause nicht, immerhin galt Leæther Strip zwischen 2000 und 2005 als nicht mehr existent, aber man drückt schon einmal ein Auge zu wenn es um soetwas geht. Untätigkeit, wie oben angesprochen, ist wirklich nicht Larsens Steckenpferd – brachte er früher noch Alben im 2-4 Jahresabstand heraus so kehrte er 2005 aufgeladen wie eine Duracell zurück in die Szene und veröffentlicht seitdem maschinengewehrartig Material. In diesen drei Jahren erschienen allein 3 reguläre Alben - „After the devastation“ war die Rückkehr im Doppel-CD Format, das großartige Album „The giant minutes to dawn“ versüßte uns letztes Jahr die Stimmung und nun folgt mit „Civil Disobedience“ Album Nummer 3 im Doppel-CD Format.

Das reicht aber nicht aus, zusammen mit den EP's, die für sich fast schon kleine Alben waren, den beiden Bonus-Alben, die man beim Kauf der Limited Editions bekam und den Internettracks, die es regelmäßig auf der myspace-Präsenz zu finden gibt komme ich bei mir auf gut 100 neue Lieder im CD Regal... und da sind die Remixe nicht mit einberechnet, denn nebenher gab mit „The pleasure of reproduction“ das erste Leæther Strip Album in neuem Gewand (vom Nebenprojekt Klutæ ganz zu schweigen). Jetzt fragt man sich zurecht : kann denn das überhaupt noch gut sein bei einer solchen Massenproduktion ? Und die Antwort muß jeder für sich selbst finden, denn anzumerken ist „Civil Disobedience“ die kurze Bearbeitungszeit.

Zunächst ist Claus Larsen aber ein aubsolut begnadeter Musiker, der es schafft, im Elektro eine eigene Insel für sich zu beanspruchen – er hat ein unheimliches Gespür für gute Melodien, einem stimmigen Songaufbau und gute Hörbarkeit. Seit dem Comeback 2005 ist der Sound wesentlich basslastiger geworden, aber ansonsten steht Leæther Strip auch heute noch für treibenden und tanzbaren Elektro. „Civil Disobedience“ bietet auf 2 CDs 22 neue Tracks und es finden sich einige gelungene dabei (Titeltrack, „the damaged people“, „when blood runs dark“, „I said I'm sorry“, „soul collector“, „stains“ und „the evil in Putins eyes“) aber auch ein paar Gurken („going nowhere“, „piising on my territory“, „the devils daughter“, „' wear black on the inside“, „snakebite“ und „could ya did ya“). Genauer muss man auf die einzelnen Lieder nicht eingehen - Leæther Strip klingt wie Leæther Strip und wirkliche Unterschiede finden sich zwischen den Titeln eigentlich nicht. Manchmal zünden die Ideen und Melodien einfach und manchmal rauscht der Titel eben einfach nur am Hörer vorbei oder nervt sogar. Was mir beim Vorgängeralbum „The giant minutes to dawn“ so gut gefallen hatte war, daß der Grund für das Entstehen dieses Albums auch den Liedern anzuhören war. Larsen hatte eine Zeit voller physischer Schmerzen und Schlafentzug hinter sich und verarbeitete diese Gefühle auf dem Album. Ein solcher Rahmen fehlt „Civil Disobedience“ und damit geht auch viel Glaubwürdigkeit flöten. Elektro sollte einfach begründet böse/wütend/aggressiv sein (und nicht aus der Verpflichtung heraus, einfach nur böse klingen zu müssen). Larsen schreibt zwar nicht ins Blaue über Blut und Zerstücklung, wie es 80% aller Elektroacts machen um evil zu sein, sondern wählt Themen, die man als Zuhörer verstehen und nachvollziehen kann, aber mir fehlen die Emotionen, die er selbst in die Lieder gesteckt hat Textlich ist Leæther Strip ja sowieso reine Geschmackssache – ein großer Poet ist Larsen sicher nicht, doch seine einfache und direkte Art (die vielleicht auch mit der Sprachbarriere zu tun hat) politische und alltägliche Themen anzsprechen entspricht einfach auch der Denkweise von Otto-Normal-Bürger.

Larsen will gar nicht diffizil und in schillernden Farben seine Inhalte vortragen – er besingt sie einfach direkt. Das große Problem bei der Sache ist letztendlich weder die Qualität der Musik (die gut ist), der Mangel an Ideen (der nicht existiert) sondern die unendliche Masse an Liedern und die dadurch entstehende Beliebigkeit. Auf allen Veröffentlichung seit 2005 fanden sich immer wieder Titel, die einfach Bombe waren aber auch eine unüberschaubare Masse an Liedern, die zwar gut aber eben nicht sehr gut sind. Wenn eine Band alle 2 jahre zehn Titel veröffentlicht werden auch diese Lieder im Schulnoten-Bereich zwischen 2 und 3 gut aufgenommen. Jetzt aber kann man sich gar nicht alle merken, die allein auf einem Album enthalten sind. Manchen Liedern hört man auch einfach an, daß eine längere Überarbeitungszeit gut getan hätte – besonders der Gesang ist an manchen Stellen einfach schräg. Ein Gesangswunder war Larsen noch nie, aber immer wieder haut er einfach im Ton daneben. Ganz besonders dann, wenn er klar singen möchte. Hier wäre eine längere Aufnahmephase nötig geworden, denn so klingen die Ergebnisse zum Teil recht dürftig. Es finden sich auf „Civil Disobedience“ aber auch Stellen, bei denen der Gesang richtig reinhaut, gerade beim fies-angewiderten Klang im Titeltrack.

Für Käufer der Limited Edition hat Herr Larsen ein weiteres Leckerli im Geburtstagskörbchen : „One Nine Eight Two“ ist ein Bonusalbum das Larsen dem Jahr 1982 gewidmet hat. Damals kaufte er sich seinen ersten Synthesizer, einen Moog Prodigy. Die CD ist ein Ausflug in poppig-wavige Gefilde, alles ist wesentlich netter als auf dem Hauptalbum. Die Qualität der Songs ist dabei aber auch recht wechselhaft, „The 5 avengers“, „Niels Bohr“ und besonders das wunderbare „Ego Generation“ sind aber sehr gelungen und sollten für Leæther Strip Kaufgrund genug sein. Über die Qualität des Booklets und die Gestaltung der limitierten Version kann ich aufgrund der Promo als Download nichts sagen, auf des Seiten des Vertriebes, Alfa Matrix, ist aber zu lesen, daß die reguläre CD im Jewelcase mit oben abgebildeten Cover veröffentlicht wird, während das Cover der limitierten Edition (im Pappschuber) Leæther Strip in Stein gemeißelt zeigt.

Die Bewertung fällt mir als Fan sehr schwer. Vier Punkte sollten angebracht sein für ein Album mit zum Teil sehr gelungenen Elektrokrachern und einer sehr guten Produktion. Mehr wären aber nicht möglich, denn dafür sind zu viele der Lieder ein wenig zu beliebig. Hoffentlich zieht Larsen bald die Handbremse, bringt nur noch 25% seiner Ideen heraus und bearbeitet diese Lieder mit viel Liebe, denn irgendwann kommt man als Leæther Strip Fan nicht mehr mit dem Kauf der regulären CDs nach und kann sich nur an ein Viertel der Lieder erinnern. Daß der Mann es noch kann zeigt sich besonders an den Anspieltips „Civil Disobedience“, „Ego Generation“ und meinem Favoriten „When blood runs dark“.