Lange war es ruhig um das Wiener Duo. Ein wenig zu ruhig, hatte doch mancher Fan die bittere Befürchtung, L’ame Immortelle’s Karriere würde sich dem Ende neigen. Die Homepage ging plötzlich offline und im Orkus wurde vom (alten) Plattenlabel eine Todesanzeige aufgegeben...Ob es das nun gewesen war?...Nein, noch lange nicht!! Einige Monate später wird das Rätsel auf der Homepage gelöst: Am 25. Januar 2008 wird man entgegen aller Besorgnis das elfte Album der Österreicher „Namenlos“ in den Händen wiegen können!! Doch was hat es mit diesem Titel auf sich? Sind den beiden während ihrer langen Pause die Ideen ausgegangen? Nicht im Geringsten, anscheinend haben sie sich mit den abgelegenen Plätzen ihrer Heimatstadt beschäftigt: An der Donau, genauer am Stromkilometer 1918,3 gibt es einen Ort, der eher unscheinbar wirkt. Nur einige kleine hölzerne Kreuze verweilen hier. Doch genau an dieser Stelle wurden immer wieder Wasserleichen angespült. Bei den meisten handelt es sich um Selbstmörder und Verbrechensopfer, die man aufgrund der Schäden, die das Wasser angerichtet hat, nicht mehr identifizieren konnte. Dies ist der Friedhof der Namenlosen. Knapp 500 Seelen wurden hier begraben. Doch wer waren diese Menschen, was ist mit ihnen passiert? Genau dieses Thema ist es wovon uns Thomas Rainer und Sonja Kraushofer auf ihrer neuen LP erzählen wollen. Aha, jetzt versteht man auch warum das Artwork sehr schlicht gehalten ist. Man soll sich auf das Wesentliche beziehen, auf die Geschichten, die uns die Verlorenen zu erzählen haben. Keine riesigen Grabsteine und Marmorengel auf dem Friedhof und kein Schnickschnack auf der CD. Das ergibt Sinn. Jeder einzelne Song von „Namenlos“ nimmt uns mit in eine eigene Welt. Die Welt der Unbekannten, wo wir erfahren, was mit ihnen geschehen ist. Es sind Geschichten über verlorene Lieben, fehlende Hoffnung, Enttäuschungen, Lügen, Betrug und psychische Störungen. „Was bleibt von uns übrig, wenn nach unserem Ableben nicht einmal mehr unsere Namen bekannt sind?“ Das ist die zentrale Frage, die hier aufgeworfen wird. Düster, melancholisch, nachdenklich, besinnlich, tiefgreifend - mit diesen Worten würde ich ihr neues Werk beschreiben.Was die musikalische Darbietung anbelangt, orientieren sich L’ame Immortelle wieder etwas mehr an ihrem früheren Stil. Weniger Gitarren, mehr Elektronik und wunderschöne Melodien. Typische LAI-Songs, wie die Fans sie lieben, sind zum Beispiel das verträumte „Behind the Light“, das zum Nachdenken anregende „Blutrot“ und der Titelsong „Namenlos“.Als Anspieltipps für all jene, die dem etwas gitarrenlastigeren Stil mehr verfallen sind, empfehle ich das tragische Liebeslied „Bleib“, „Requiem“ und das ordentlich abgehende Schmankerl „Reborn“, einer der seltenen Momente, in denen wir Thomas’ sehr angenehmer Stimme fröhnen dürfen – auf jeden Fall hitverdächtig!! Was entdeck ich denn da?? Möchte Herr Rainer mit dem Song „1000 Voices“ etwa Werbung für sein Nebenprojekt „Nachtmahr“ betreiben? Mir fällt es schwer diesen Song mit den Restlichen zu verbinden, da sich dieses musikalisch sehr abhebt und schon leicht in die Industrial-Ecke abdriftet – prädestiniert für den heimischen Tanztempel. Etwas schade finde ich, dass das Hauptaugenmerk wieder nur auf Sonjas sinnlicher und feinfühliger Stimme liegt, welche ja die Band so unverwechselbar macht. Es fällt nämlich auf, dass sich Thomas’ cleaner Gesang im Laufe der Jahre um einiges verbessert hat und genau die notwendigen Ecken und Kanten liefert, die einen eigenen Stil ausmachen – also bitte mehr davon!! Der Sinn der zweiten CD bleibt mir leider etwas schleierhaft. Wenn sich das Album nur auf das Wesentliche beschränken soll, was hat dann diese Scheibe, die fast ausschließlich mit Remixen diverser Künstler gefüllt ist, hier verloren? Gut, gut, ich bin sicher, dass Stücke wie das von Spiritual Front-Sänger Simone Salvatori gesungene „When the Sun has ceased to shine“ und „Love is lost“ von Anthoni Jones, die immer wieder für Gänsehaut sorgen, nicht nur mir sehr viel Freude bereiten werden. Dennoch wirkt es auf das Gesamtkonzept bezogen unpassend. Der letzte Track „Erinnerung“, ein Essay von Thomas Sabottka, schlägt ein letztes Mal die Brücke zum Hauptthema. Damit schließt er die Geschichten und die Gräber der Namenlosen an der Donau... Fazit: Im Großen und Ganzen ein gelungenes Werk, was mit den Vorherigen auf jeden Fall mithalten kann. Für alte L’ame Immortelle–Hasen ist dieser Kauf natürlich ein absolutes Muss, gar keine Frage!!! Wer sich aber schon mit den früheren Sachen der zwei Österreicher nicht anfreunden konnte, sollte auch dieses Mal eher die Finger davon lassen.