Nachdem seinerzeit der Titel „5 Jahre“ aus dem letzen Album „Gezeiten“ zum Schlußsong des Edgar Allan Poe - Hörbuches „Hopp-Frosch“ auserkoren wurde, scheinen die Produzenten von Poe - Projekten Gefallen an L’Âme Immortelle gefunden zu haben, denn mit „Dein Herz“ liefern die Österreicher nun einen weiteren Beitrag zu einem solchen. Zeitgleich mit der vorliegenden Scheibe erscheint mit „Visionen“ eine Doppel-CD, die sich sowohl über die Musik als auch über das gesprochene Wort mit dem großen Schriftsteller befaßt. Dabei wird mit bekannten Namen nicht gegeizt. So konnten für den musikalischen Teil u.a. Alexander Veljanov (Deine Lakaien), Subway to Sally, Secret Discovery oder auch die Jungen Tenöre gewonnen werden, während Poe-Gedichte von Schauspielern wie u.a. Christopher Lee, Iris Berben, Gudrun Landgrebe oder Kai Wiesinger gelesen werden. In diesem Zusammenhang darf man also hochgesteckte Erwartungen an die vorliegende Maxi stellen, die sich im Übrigen nicht als Vorbote des in Kürze erscheinenden L’Âme Immortelle - Albums versteht. Edgar Allan Poe suche ich allerdings im Titelsong vergeblich. Der Text stammt von Marc Sieper, der offenbar alles, was der Durchschnittskonsument gemeinhin mit Gothic in Verbindung bringt, in diesen Song pferchen wollte: „Tiefste Trauer, tiefstes Leid“, Hoffnung, die im der Seele angezündet wird, und der gutgemeinte Ratschlag „Benutz Dein Herz für Dich, sei, wie Du bist, Dein ganzes Leben lang.“ Süßliche Theatralik, die sich in der musikalischen Umsetzung, für die Simon Berling und Christian Hagitte verantwortlich zeichnen, niederschlägt. Wird Sonja Kraushofer’s Gesang in den Strophen noch relativ sparsam mit Streichern und einem verspielten Spinett begleitet, steigert sich der Track im Refrain zu einem opulenten Werk, in dem beinahe der gesamte instrumentale Bestand des Berliner Filmorchesters zusammen mit E-Gitarren aufgeboten wird. Das ist zwar schön anzuhören, in der Melodieführung jedoch viel zu vorhersehbar, um begeistern zu können. Da kommt der „glücklich remix“ von Pilori schon einer Atempause gleich. Hier liegt der Akzent eindeutig auf der Stimme. Lediglich eine Viola, ein leises Keyboard und dezente Beats unterstreichen den Gesang. Das hat durchaus was, betont aber leider auch die nicht gerade intellektuelle Aussage des Textes. Ganz anders geht dagegen Ben Lauber aka Transporterraum im „Herzflimmern remix“ mit dem Song um. Durch verfremdete Orchesterspuren, militärische anmutende Percussions und tiefe Akkorde der Stromgitarren wird eine verstörende Atmosphäre geschaffen, die im krassen Gegensatz zu den melodischen Vocals steht. Na, und wo ist nun Edgar Allan Poe? Er begegnet dem geneigten Hörer in den Lyrics der eigentlich interessanten Stücke auf der Maxi: „Alone“ und „The Lake“. Das erste lebt ganz vom Gegensatz der herben Stimme Thomas Rainers in Verbindung mit fast schon weinenden Geigen. Das zweite ist für mich das Highlight der Scheibe. Zart und gefühlvoll wird das Gedicht von Sonja Kraushofer rezitiert. Im Hintergrund leise, flächige Streichinstrumente, die die Stimmung eines stillen Sees im Morgenlicht spürbar werden lassen. Endlich eine Vertonung, mag man da denken, die dem amerikanischen Poeten gerecht wird. Ein zweischneidiges Schwert also, das uns L’Âme Immortelle mit „Dein Herz“ vorsetzt. Zwei gelungenen Interpretationen von Poe-Lyrik steht ein höchstens durchschnittlicher Titelsong gegenüber mit zwei Remixen, die den Track zwar verbessern, aber nicht wirklich retten können. Angesichts der Professionalität, die man bei einem Projekt wie „Visionen“ und einer Band wie L’Âme Immortelle voraussetzen darf, enttäuscht die Maxi damit eher und wirft die Frage auf, was Edgar Allan Poe wohl dazu gesagt hätte.