Bal Sagoth waren ein herrliches Phänomen. Ihre Musik war so bunt und überladen wie die Cover der Alben. Auf die Frage "Darf's a biserl mehr von allem sein" antworteten die Engländer stets aus vollster Überzeugung "Ja" und ihre Metal-Melange aus Heavy Riffs, feurig gefauchten Vocals, Double Bass Attacken, Märchenonkelerzählungen zu ausgesprochend ausreichend Keyboard Kleister und Geschwindigkeitswechselns wie bei System of a down auf Crack machten sie zu einem sonderbaren Exoten. Sie hatten wie auch Summoning eine ganz eigene Spielwiese extremer Klangkunst geschaffen und waren bis zu ihrem letzten Album "The Chthonic Chronicles" auch alleinige Meister dieser Disziplin. Dieses Album von 2006 konnte nicht jeden überzeugen, mich zumindest aufgrund der zu progressiven und weniger Spaß betonenden Ausrichtung nicht und blieb auch das letzte der Band. Offiziell nicht aufgelöst wurde es still um Sänger und Begründer Byron Roberts und vielleicht entstand deswegen Kull und vorliegendes Werk.

Sämtliche Musiker Bal Sagoth abzüglich ihres so markanten Sängers setzten 2012 gemeinsam Segel und schufen 2019 mit Sänger Tarkan Alp ihre eigene Fortsetzung. 'Exile' will in keinster Weise anders klingen und schafft es doch, eher die Stärken etwas älterer Alben des Originals aufzugreifen und ein klein wenig düsterer und rauher zu präsentieren. Ja, es gibt noch zu genüge Keyboardzauber und ja, oft klingen die Herren hysterisch-überdreht wie eh und je. Aber Alp versucht nicht, Roberts unvergessliche Stimmeskapaden zu imitieren sondern seinen eigenen Stil zu entwickeln und den Vocals dadurch eine etwas rauere, brutalere und der Musik untergeordnete Rolle zu verpassen.

Der Sound von Kull ist dementsprechend weniger episch/dramatisch (also immer nicht mehr als genut episch/dramatisch gegenüber anderen Vertretern härterer Musikkunst) und die Stücke wirken dem Albumcover entsprechend düsterer. Und sie klingen verdammt gut. "Set nakt heh" ist der nach dem obligatischen Intro perfekte Opener, "Vow of the exiled" und die flotte Abrissbirne "Pax imperialis" mit den spacigen Keyboards sollten beim Reinhorchen aber in jedem Fall genauso beachtet werden. Ausfälle finden sich auf dem Werk keine, 'Exile' ist konsequent stark und auf den Punkt gespielte Überdrehtheit.

Ich habe Zweifel, ob Kull mit 'Exile' 2019 für ein Massenphänomen sorgen könnten, wenn es Bal Sagoth nie gegeben hätte. Bal Sagoth sprangen Interessierte mit ihren kunterbunten Coverartworks an und zauberten mit pathosgeschwängerter Hysterie unbändige Freude auf die Platten. Doch es ist mehr als erfreulich, dass die Musiker hinter dieser markanten, eigenwilligen Spielart auch nach Jahren an 'ihre' Musik glauben und sich nicht lieblos selbst rezitieren sondern Fans und Interessierten lohnende Neuauslotungen präsentieren. Reinhören lohnt sich also in jedem Fall und vielleicht flammt eine Liebe (wieder) auf. Ein Fest.