Musik, die sich in der Schnittmenge zwischen Industrial, Ambient und experimentellen Klängen bewegt, ist wie wohl keine andere prädestiniert, die Hörerschaft zu polarisieren sowohl innerhalb der eigenen Szene als auch noch viel extremer in der großen Musikwelt darüber hinaus (so die entsprechenden Projekte dort überhaupt wahrgenommen werden) - nur allzu beliebt die Argumentation, daß man bei all der derzeitig verfügbaren Technik und Software auch ohne nennenswertes Talent innerhalb kürzester Zeit "irgendetwas" zusammenklicken und auf die Menschheit loslassen kann. Wer sich dieser Argumentation verschreibt, unterschlägt dabei einige wesentliche Gesichtspunkte. Zum einen ist die Erzeugung von Musik über die größte Zeitspanne ihrer Geschichte mit der Verwendung von Instrumenten verbunden gewesen. Noch nie hat dabei die bloße Verwendung eines bestimmten Instrumentes fehlendes Talent kompensieren können, und ein Blick auf den aktuellen Mainstream-Musikmarkt beweist eindeutig, daß dies auch mit modernster technischer und instrumentaler Ausrüstung nicht funktioniert. Zum anderen aber: Selbst eine drittklassige Rockband hat, wenn alle Stränge reißen und ihre Songs inhaltslos und leer wirken, noch die Chance, den Hörern zu gefallen einfach nur dadurch, daß ihre Musik schön einfache, eingängige Melodien in überschaubaren Song-Strukturen transportiert. Diese Möglichkeit haben Musiker, die sich jenseits der gängigen Konventionen hinsichtlich Melodielinien oder "Songs" im Sinne des Wortes bewegen, nicht - versagt hier die Musik in ihrer Aufgabe, Atmosphäre zu erzeugen und Stimmungen zu transportieren, dann wirkt das Ergebnis ebenso konfus und schwerverdaulich wie schlecht gemachte abstrakte Malerei... ...womit wir fast nahtlos zu der Musik kommen, mit der der Ukrainer Andrey Kiritschenko die Hörer auf seinem Zweitwerk "interplays, in between" konfrontiert. In einer gewissen Art und Weise erinnert sein musikalisches Tun an ein Balancieren irgendwo zwischen Ambient und kratzigen Elektro-Klängen, den meditativ-spirituellen Klängen eines Kitaro und der von frühen Mike-Oldfield - Werken bekannten Faszination dafür, Musik mit nahezu allen Instrumenten und Dingen (von Saiten-Instrumenten über verschiedene elektronische und akustische Geräuscherzeuger bis hin zu Glockenspiel und Kinderspielzeugen) zu erzeugen, die sich zufällig in Reichweite befinden. Dieser Balance-Akt wirkt nahezu halsbrecherisch, geht aber am Ende irgendwie auf unter der Voraussetzung, der Hörer geht mit offenen Ohren und einem offenen Geist an das Werk heran. Wer dies wagt, der wird erleben, wie Andrey Kiritschenko ihn für eine knappe Dreiviertelstunde auf eine eigenwillige Reise entführt, eine Reise in ein lebendiges, dunkles, kaum greifbares und nahezu unbeschreibliches Unterbewußtsein, eine Reise durch die Welt, die sich weit jenseits der Grenzen unserer oft nur allzu eingeschränkten Wahrnehmung erstreckt. Sanfte und warme, atmosphärische Klangmuster und zurückhaltend eingesetzte, zu keinem Zeitpunkt das nahezu meditativ wirkende Klangbild von "interplays, in between" störende elektronische Rhythmen sind dabei der Weg, auf dem der Hörer wandert, während die Welt um ihn herum immer mehr an Tiefe gewinnt - Tiefe, die irgendwo zwischen dem für elektronische Musik typischen Piepsen, Knarzen und Flirren, zwischen einer ganzen Menge halbwegs deutbarer und noch sehr viel mehr Klängen kaum erklärbarer Natur beeindruckende Ausmaße annimmt und förmlich Schwindelgefühle zu erzeugen vermag. Am Ende entsteht ein äußerst harmonisches, geschlossenes Bild einer eigenartigen Welt, welches in seiner Darbietung gleichermaßen emotional wie auch äußerst akribisch wirkt. Diese Akribie führt, nebenbei bemerkt, auch dazu, daß "interplays, in between" sowohl als Quasi-Ambient - Alben für die ruhigeren Momente des Lebens geeignet ist, als auch als wunderbarer Stoff für all jene, die Musik grundsätzlich nur zwischen zwei Kopfhörern konsumieren. Insgesamt ist letzteres zu empfehlen, will man all jene Details erleben, die dieses faszinierende Werk zu bieten hat (beispielsweise die mit verzerrter Stimme vorgetragenen Ausschnitte aus Werken von Hesse und Nietzsche...). Verbunden mit der sehr stimmigen, die Musik auf interessante Art und Weise unterstreichenden Cover-Gestaltung ist "interplays, in between" ein Tonträger, der für Fans anspruchsvoller Elektronik- / Experimentalmusik zum Pflichtprogramm werden dürfte; für alle anderen sollte zumindest ein Rein- oder Probehören nicht schaden (wobei eventuell auch das viele Material, welches sich auf Kiritschenkos Homepage findet, einen guten Einstiegspunkt bieten dürfte). Die Tatsache, daß der Musiker komplette Mitschnitte etwa von verschiedenen Festival-Auftritten kostenlos auf seiner Website zur Verfügung stellt, verschafft ihm zusätzliche Sympathiepunkte - die diese Platte aber zu keinem Zeitpunkt braucht. Ein beeindruckendes Werk.