'All diese verdammte Finsternis' lautet übersetzt der Titel des zweiten Werkes der Isländer Katla und mag es Fügung sein, gezielte Zusammenarbeit oder bewusste Konkurrenz: nur eine Woche trennt diese Veröffentlichung vom aktuellen Werk der Landsmänner von Sólstafir und auch musikalisch liegen zwischen beiden Bands keine Welten. Was kann also 'All diese verdammte Finsternis'?

Jede Menge. So knapp könnte ich es fassen.

Aber der Reihe nach: Wer sich im Klangkosmos von Sólstafir auskennt, der kann sich schon einmal recht gut fokussieren. Nicht, dass Katla keine eigene Identität aufweisen kann, nein nein, das haben sie bereits auf ihrem Debüt bewiesen (auch wenn mir dieses emotional irgendwie nicht schmecken wollte). Dieses düster-doomige Rock/Metal Moment wohnt beiden Projekten inne. Melancholische Zerbrechlichkeit vor finsterer Riffwand, wenige Ausbrüche in Richtung einer Härte, die die Musiker deutlich loslassen könnten und ein Gesang, der rauh, melodisch und resigniert wie nach einer Nacht voller schwerer Gedanken an der Bar, mit zu viel Brennivin und viel zu vielen Zigaretten klingt. Dass Einar Thorberg Gu∂mundsson eine vielseitigere Stimmkraft an den Tag legt als Aðalbjörn Tryggvason, unterschiedliche Emotionen und Stile einbaut und einen großen Teil des Hörgenusses für mich ausmacht ist erfreulich – in meinen Ohren hätte es dem Album gut getan, die Vocals etwas klarer und weniger in den Hintergrund zu mischen. Aber naja, die Melodien, epische apokalyptische Irrfahrten durch Sturm und Schnee, sind eben auch unglaublich kraftvoll. Was die beiden da auf die Beine gestellt haben ist abwechslungsreich, schlüssig verwoben und erschütternd finster, ohne hart sein zu müssen. Nach den beiden ersten und nur guten Liedern ist das kleine Instrumental "Líkfundur á Sólheimasandi" mein wirklicher Einstieg – ungemein fesselnd und perfekt vor der Doomwalze "Sálarsvefn" mit ihren treibenden Einsätzen und der immanenten Schwere. "Vergangur" ist ein Hybrid aus klassischem Doom Metal und progressiven Elementen, "Hvítamyrkur" zeigt die instrumentale Vielseitigkeit Katlas und die gekonnten Wechsel in den Stilen hervorragend und das treibende "Húsavíkur-Jón" beendet die saustarke Albummitte. Stilmittel und Instrumente wechseln sich bei Katla trotz grundsätzlich eher behäbiger Rhythmik ab wie die Wetterbedingungen auf der sturmumtosten Heimatinsel. Und nie herscht nur eine Stimmung vor, immer ist es eine Schwere, etwas Bedrohliches oder kalte Leere die in all den Kompositionen im Hintergrund lauern. Die beiden überlangen Songs zum Abschluss des Albums fordern dann noch einmal besonders heraus: der Titeltrack ruhig, wie der Morgen nach einer Sturmnacht, wenn man die Zerstörung vor der Tür betrachtet und an die Schrecken der Nacht denkt. "Svartnaetti" ist dann das Resumé, klingt gelöster als weite Teile des restlichen Albums und ist dennoch geschwächt, wirkt wie das verletzte Tier, dass sich unter einem Stein verkriechen will und sich dann im letzten Drittel überraschend kraftvoll zur Wehr setzt. Da ist sie, die Härte, von der man wusste, dass das Duo dazu locker fähig ist. Wundervoll.

Ich freue mich sehr, dass Katla mit ihrem Zweitwerk so überzeugen können – denn damit steht fest, welches Album ich mir in diesem Herbst aus Island nach Hause holen werde. Denn im Gegensatz zur aktuellen Sólstafir gehen Katla 2020 kreativer zu Werke, tragen mehr Finsternis in sich und verzetteln sich nicht in Längen. Sie sind herausfordernder und vielseitiger in ihren Mitteln, fordern (noch) mehr Aufmerksamkeit und sie haben es deutlich verdient, dass man ihnen als Freund kreativer Rock/Metal Kost ein Ohr schenkt. Ergreifend.

 

Katla

Allt Þetta Helvítis Myrkur

 

13.11.2020

Prophecy Records

 

https://katlaiceland.bandcamp.com/album/allt-etta-helv-tis-myrkur

 

01. Ást orðum ofar
02. Villuljós
03. Líkfundur á Sólheimasandi
04. Sálarsvefn
05. Vergangur
06. Hvítamyrkur
07. Húsavíkur-Jón
08. Allt þetta helvítis myrkur
09. Svartnætti