Als ich mich 2003 musikalisch der Tour de France näherte erging es mir wahrscheinlich genau wie tausenden anderen: euphorisiert von der Tatsache, dass Kraftwerk auf dem Cover zu lesen war konnte ich gut darüber hinwegsehen, dass ich a) der Tour eher Desinteresse bis Unverständnis entgegenbrachte und sich das Album b) musikalisch nicht sooo richtig wie die Glanztaten "meiner" Helden anfühlte. Modern, catchy, so eben wie man sich auch bei heutigen Konzerten präsentiert - ich mag es, doch bin ich mir nicht immer sicher, ob ich es genauso mögen würde, wenn das Projekt nicht Alben wie Radioaktivität, Die Mensch-Maschine und Computerwelten geschaffen hätte... und zwar lange bevor ein gros der Bürger Computer überhaupt buchstabieren konnten. Hätte ich 2003 intensiver die Läden durchforstet, ich hätte bereits einige Jahre früher erkannt, dass Ex-Kraftwerker Karl Bartos mit seinem Debut-Soloalbum Communication deutlich besser den "Ur"Sound aufleben lassen und weiterentwickeln konnte. Trocadero legt nun, 13 Jahre später ein Album neu auf, dass leider viel zu unbekannt blieb und nun hoffentlich doch die verdiente Aufmerksamkeit erhält. Mit immerhin 50 Jahren zauberte Bartos instrumental einen frischen und dennoch deutlich kraftwerkigen Sound, der gerade die beiden letztgenannten Alben (an deren Entstehung Bartos auch beteiligt war) in Erinnerung ruft: abwechslungsreich, oft tanzbar und auf Albumlänge durchaus spannend. Verdelt wurden die Songs vor allem durch die schönen Texte, die sich intensiver mit der titelgebenden Kommunikation aus unterschiedlichen Perspektiven befassen und auch über 10 Jahre nach Erscheinen an Aktualität nichts eingebüßt haben. Anders als bei Kraftwerk sind diese Texte länger und inhaltstransportierend, doch beim Gesang zeigen sich wieder Parallelen durch Vocodereinsatz und Bartos schöner und ungemein jung klingender Stimme. "The camera" ist musikalisch nahe den "Roboter"n und grooved sofort los. Ich bin dabei, ich will mehr. "I m the message", "15 minutes of fame" - Mann oh Mann, was für ein saustarkes Einstiegstrio. Bartos gönnt dem Hörer anschließend ein paar Augenblicke Ruhe und Erinnerungen an Zeiten im "Electric Café": eher instrumentale Boom-Tschak-Klanglandschaften pausieren den poppigen Flow unter dem Titel "Reality" gekonnt. Danach geht es wundervoll weiter - insbesondere "Life" und "Cyberspace" möchte ich dabei erwähnen. Gegen Albumende scheint die Elektronik ein wenig das Kommando zu übernehmen: "Ultraviolet" und der Remix "Camera Obscura" ziehen den Härtegrad etwas an, bevor "Another reality" verträumt ausfaded. Das Album ist es wert, gehört zu werden. Also zugreifen und nicht nochmal 13 Jahre warten!