Neoklassischer Industrial. Karjalan Sissit kreiert vom Finnen Markus Pesonen. Wenn man den Geschichten glauben schenken darf, ist diese Musik geboren aus finnischen exzessiven Alkoholkonsum, Wut, Bitterkeit, "Antisocialism" (!) und der tiefen Verbundenheit zu Finnland plus dem nötigen Humor. Wer die Skandinavier kennt weiss, dass sie gern etwas übertreiben aber die ganze Sache am Ende dann doch nicht so bierernst gesehen wird. So auch "Tanssit On Loppu Nyt": wäre die Musik tatsächlich nur die Summe der oben genannten Eigenschaften/Geühlsaubrüche könnte man die Hoffnung auf anspruchsvolle Musik schon im Ansatz aufgeben. Genau das ist aber bisher jede Veröffentlichung von Karjalan Sissit: anspruchsvoll und intensiv. Man wundert sich tatsächlich wie in derartigem Chaos Pesonen es schafft aus psychatrischem Albtraum Klassik oder Neoklassik werden zu lassen. Die Stücke pendeln wie gesagt zwischen lupenreinen, klassisch-orchestralen Streicherstücken und neoklassischem, martialem Industrial mit dem obligatorischen wutentbrannten, - Entschuldigung vielmals - Geschrei. Leider, den Letzeres ist Geschmackssache und anstrengend. Es schwächt den Gesamteindruck und die Qualität, zu krass der Wechsel zwischen ruhigen und lauten Stücken. Dieser Martial-Industrial funktioniert besser in einer Club bzw. Konzertsituation als auf dem heimischen Sofa. Man kann es auszuprobieren am 11.10.2006 im Fraystil (ja mit 'a'!) Club in Berlin. Karjalan Sissit live zusammen mit Visions (Cananda) und Gustav Hildebrand (Schweden). Das Vorgängerwerk "Karjalasta Kajahtaa" war nicht minder intensiv, aber weitaus balancierter und ausgereifter (für mich ein 6 Sterne Release). Die Stärken liegen eindeutig in den ruhigeren Stücken, weiss der bewanderte Finne was das alles bedeutet, hier die Anspieltips: "Kiitan puolestani", "Nagon vacker dag far du smaka pa finn yxan javla rip-off gubbe", "Oiken erityisella lammolla". Produziert wurde von Peter Bjärgo, der unter anderem hinter den Projekten Arcana und Sophia steht und deutlichen Anteil daran hat, dass trotz der Zerissenheit wieder eine bemerkenswerte CD entstanden ist. Auch das sehr stilvolle und gelungene A5 booklet (der ersten 1500 Pressungen) entschädigt die Sinne.