Bands, die die Meinungen innerhalb einer Szene spalten gibt es viele. Livelover aus Schweden und ihre zum Teil vor den Kopf stoßende Mischung aus Pop, Rock, keine Ahnung und Black Metal, all das Schräge, was auf ihren vier Alben aufeinandertraf – das war nicht jedermanns Sache. Ich hatte mit den Alben oft große Probleme. Einzelne Songs, ja, die gefielen mir ausgesprochen gut, aber der für mich ziellos wirkende Schlingerkurs und die oft eher unfertigen Ideenfetzen, die da zusammengeworfen und dann mit etwas Tesa zusammengehalten wurden. Nein, Lifelover hatten mich nicht überzeugt. Deswegen ging die Gründung Kalls nach dem Tod von Nattdal und dem damit einhergehenden quasi-Ende von Lifelover mangels Interesse an mir vorbei. Album Nummer zwei, nun bei Prophecy untergekommen, liegt mir vor. Mal sehen, ob die Schwingungen zwischen mrir und dieser neuen Band besser sind.

'Brand' (=Feuer) bietet nicht nur im Hinblick auf den Bandnamen (der im schwedischen 'kalt' bedeutet) einen kontrastreiches Pendeln zwischen zwei Welten, sondern auch im Sound. Klassischer Black Metal mit Shoegaze Elementen auf der einen Seite und rockig psychedelisches Jammen in die Unendlichkeit auf der anderen. Dankbarerweise sind diese Elemente weitesgehend voneinander getrennt auf dem Werk zu erleben: die erste Hälfte fällt fast schon klassisch aus, "Rise", "Fervor" und "Eld" sind jetzt nicht unbedingt Standartkost, aber trotzdem eher klassicher, gemächlicher, atmosphärischer Black Metal mit viel Raum für (Stoner) Rock. Der Saxophoneinsatz vor allem zum Abschluss von "Fervor" reißt die Stimmung nicht auseinander sondern passt harmonisch ins Konzept. Die Stücke wollen nicht um jeden Preis auffallen und Kall gelingt damit eine 20minütige Ohrenweise gelungenster Kost. Die drei Songs wirken gut durchdacht, der Black Metal ist nicht zu extrem, die Screams angenehm, die rockigen und jazzigen Parts haben ausreichend Raum, wirken aber denoch geplant und in ihren Grenzen gehalten. Bis hierhin war ich wirklich überzeugt, bis hierhin wirkte alles wie aus einem Guss und und gerade "Eld" ist ein ganz wunderschönes Stück, an dem ich mich nur schwer satthören kann. In meinen Ohren entschieden sich die insgesamt 6 Musiker dann aber dafür, die folgenden 3 Songs nicht nur fast doppelt so lang zu gestalten, sondern auch die Marschrichtung auf Unendlich zu setzen. Fast habe ich das Gefühl, die ersten drei Stücke waren komponiert und den Rest wollte man dann eben fließen lassen, sobald man im Studio ist. Bis dahin begannen die Songs relativ klar und konnten dadurch genüsslich zum Ende hin ausfransen. Doch der 17 Minuten Brocken "Fukta din aska" wirkt so, als ob der Trip, auf dem die Musiker bisher waren nun seinen Zenit überschritten hat und alles auseinanderfällt. Wohin will man? Es ist ein wenig als ob The Doors in den letzten Tagen Morrisons lustlos vor sich hinspielen und dazu ab und an gekeift wird. Ja, "Hide below" und "Fall" wieder etwas klarer zu greifen, aber das Niveau der ersten Songs erreicht man bei Weiten nicht noch einmal. "Kall zeigen der Szene genauso wie Lifelover ihren kollektiven Mittelfinger. Je konformer sie geht, desto deutlicher werden wir uns von ihr abgrenzen …" brüsken sich die Musiker stolz im Promotext. Macht es. Rebelliert. Seid anders um jeden Preis. Und lebt dann eben auch damit, dass es manch einer doof findet. Eye of Nix zeigen zeitgleich mit ihrem Zweitwerk 'Ligeia' auf Prophecy, wie man non-konform, herausfordernd und trotzdem mit klarem Kurs begeistern kann, aber das hier wirkt wie der bockige Kampf ums Auffallen.

Kall haben ohne Frage viele Kompetenzen und sicherlich werden Fans das hier als Kunst abfeiern und sich über die ach so biedere Black Metal Szene lustig machen, genau wie die ganzen Old Schooler über alles, was nicht trve genug ist. Ich aber höre gerne emotionale Musik mit einem Konzept und davon bieten mir die Schweden nur auf dem ersten Albumdrittel ausreichend. Danach gibt es Anderssein ohne gehaltvolle Inhalte. Da man bereits bei Lifelover von sich überzeugt war, soll man es hier eben auch sein. Ich halte nicht viel von den letzten 40 Minuten. Nicht, weil ich Szenekonformität erwarte, sondern Inhalte. Außer vielleicht bei den Melvins oder Helge Schneider....

 

Kall

Brand


 

19.06.2020

Prophecy Productions

 

https://kallofficial.bandcamp.com/album/brand

 

01. Rise

02. Ferfour

03. Eld

04. Fukta din aksa

05. Hide below

06. Fall