Wer Juno Reactor kennt, der weiß, dass mit jedem Album eine Klangmischung hervorgezaubert wird, die weit über die Genregrenzen hinausreicht. Im Allgemeinen beziehen sich diese Grenzen auf Electro- und Techno-/PsyTrance-/Goa-Elemente. Was die Band nun so markant macht, das ist die gleichzeitige Verbindung unterschiedlichster Stilrichtungen, ohne dass die einzelnen Songs dadurch albumspezifische Merkmale verlieren sondern das Gesamtkonzept aufrechterhalten. Auf "Labyrinth" vereinen sich mystische, ethnische und elektronische Sounds und Beats in einer komplexen Art und Weise, dass man nicht weiß, ob gerade die Soundtrack-Musik zu einem bekannten Film läuft oder dieser selbst erst im Kopf entstehen muss. Genügend Inspiration bietet die CD, da der (break)beatlastige technoide Grundbestandteil, wenn vorhanden, in den Songs nur als Part des jeweiligen Arrangements auftritt und die damit verbundene Seelenlosigkeit komplett unterbindet. Durch zusätzliche Tribal- oder andere Ethno-Percussions-Sounds, spanischen bzw. E-Gitarren, weiblichen oder chor- bzw. opernähnlichen Gesang sowie orchestralen Einsätzen unterstützt, ergibt sich ein Kombination, die Juno Reactor in dieser Ausgiebigkeit noch nicht geschaffen hat und hier Titel für Titel auslebt. Das Labyrinth erstreckt sich klangmäßig irgendwo zwischen Spanien, Afrika, Japan, Mittel-/Südamerika, der Neuzeit und dem lateinisch-sprachigen Mittelalter. Während "Conquistador I" in aller Flamenco-spanischer und zu Beginn sakral anmutender Gelassenheit langsam Stimmung aufbaut, wird diese mit brachialen Uptempo-Beats durch "Conquistador II" weiter geführt. Unseren Zeitgenossen, die sich gern auf eine Stilrichtung pro Album bzw. Band beschränken, wird es an der Stelle sicherlich die Schuhe ausziehen, doch genau das ist Juno Reactor. In diesem Falle extrem ungezügelt, lebendig und definitiv Soundtrack-geeignet. (A prospos: Die CD 2 vom Soundtrack zu Matrix Reloaded ist fast komplett auf Don Davis zurückzuführen.) Von ähnlichem Kaliber sind "Mona Lisa Overdrive", "Zwara" und in etwas einhaltender aber dennoch vielseitiger und vielschichtiger Form "Navras". "Mutant Message" erscheint wie ein kleiner aber interessanter Irrweg im Labyrinth - einerseits durch die deutschen vocoderisierten Samples, anderseits durch das sich relativ langsam aufbauende zweiminütige Intro. Dies führt direkt zum großen Bombastweg, nur um anschließend den Hörer noch einmal auf den gemütlichen kleinen Pfad zu führen bevor sich kurz danach schon wieder der erbarmungslos ausgeklügelte Klangwust auf dem großen Weg ausbreitet. So gesehen besitzt jeder einzelne Titel seine eigene Geschichte, bei diesem bietet die Struktur jedoch noch viel mehr Spielraum für eigene Ideen. Sicherlich ist Juno Reactors "Labyrinth" durch die Mischung sehr ruhiger und nachfolgend sehr wilder Phasen nicht Jedermanns Geschmack, vor allem nicht in der dunkleren Electro-Szene. Wer aber den einen oder anderen wilden Beat, zusammen mit Tribal-, Ethno-(Percussion-)Sounds, Gitarren, weiblichen Gesängen und Chören sowie orchestralen Einsätzen mag oder allgemein auf Juno Reactors Genredurchbrüche scharf ist, der erlebt mit diesem Album die Band in Höchstform. Und genau aus diesem subkulturellen Grund verdient sich der Silberling alle Sterne, die der Medienkonverter programmiertechnisch dafür aufbieten kann.